An einem kalten Novembermontag fand ein Geheimtreffen statt, das das Zeug hat, die deutsche Fernsehindustrie aufzurütteln. Hochrangige Manager und Vertreter des italienischen Ex-Premiers Silvio Berlusconi haben den Aufsichtsratschef von ProSiebenSat1, Werner Brandt, getroffen. Man könnte fast sagen: Sie haben ihn konfrontiert – mit ihrer Unzufriedenheit, auch gegenüber ihm persönlich.
Berlusconi hält mit seinem Medienkonzern Mediaset Anteile (zuzüglich Derivate und Optionen) in Höhe von rund 23 Prozent an Pro7 – und will seine Macht im Sender deutlich ausweiten. Business Insider erfuhr aus Mediasetkreisen, dass Berlusconi mittelfristig den Sender übernehmen will. Das Geheimtreffen mit Brandt war dabei ein wichtiger Zwischenschritt. Die Italiener sind unzufrieden mit der Strategie der Konzernführung unter Rainer Beaujean, sie wollen seinen im kommenden Jahr auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Es fehle ihm an schlüssigen Konzepten, heißt es aus Mediaset-Kreisen. Es gäbe bei Pro7 ein nicht durchdachtes Sammelsurium an zusammengekauften Firmen, die wenig miteinander gemein hätten, so die Kritik der Italiener.
Was die Berlusconi-Leute meinen, sind die drei Säulen, auf denen Pro7 steht: Unterhaltung, Datingplattformen und dem Segment Commerce & Ventures. Zum Konzern gehören etwa Elitepartner, Parship oder die US-Datingplattform Eharmony. Dieses Segment hätten die Italiener wohl lieber schon gestern als heute verkauft. Auch beim Segment Commerce & Ventures werfen sie der Pro7-Führung eher wahllose Investments in Startups vor.
Diese Kritik haben die Berlusconi-Manager Brandt beim Geheimtreffen vorgetragen. Damit aber nicht genug, die Italiener haben auch Brandt persönlich angezählt. Er sei es schließlich, der den Kurs des Medienkonzerns zu kontrollieren habe. Dieser Aufgabe sei er nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, kritisierten die Italiener. Die Botschaft war dabei deutlich. Brandts Mandat als Aufsichtsratschef läuft nämlich kommendes Jahr aus. Es soll noch nicht bekannt sein, ob er wirklich weiter machen will. Business Insider erfuhr, dass die Berlusconi-Leute ihm keine Steine in den Weg legen würden, wenn er noch einmal antreten wollen würde als Chef des Kontrollgremiums. Die Botschaft bei dem Treffen war auch in diesem Zusammenhang klar: Steine gibt es dann nicht, wenn Brandt auf Berlusconis Kurs einschwenkt.
Dem Ex-Premier ist vor allem sein europäisches Medienkonglomerat wichtig, die „Media for Europe Holding“, die länderübergreifend agieren soll. Pro7 soll nach dem Willen Berlusconis Teil davon werden. Vorstandschef Beaujean sieht in einem solchen Bündnis im Unterhaltungsbereich keinen Mehrwert. Aus Unternehmenskreisen erfuhr Business Insider, dass man im Konzern der Auffassung sei, dass Humor und Unterhaltung stark abhängig sei von der Region. Allein im deutschsprachigem Raum sei das sehr unterschiedlich. Die Kluften zwischen Deutschland und Frankreich oder Italien seien da noch größer.
Jüngst sagte Beaujean der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ allerdings, dass er im Plattformbereich durchaus Synergiepotentiale sehe mit Mediaset. Im Gründen einer gemeinsamen Plattform also, auf der unterschiedliche Inhalte der Medienpartner ausgespielt werden, stehe er positiv gegenüber. Ganz beiläufig betonte Beaujean gegenüber der FAZ, dass ihm sein aktueller Job viel Freude bereite – und insinuierte damit, dass er durchaus vorhabe, Pro7 auch über das kommende Jahr hinaus zu führen. Eine Ansage Richtung Mailand.