Das Verhältnis zur Kosmetik hat sich, wie vieles im Alltag der Menschen, durch die Pandemie gewandelt.Es sindneue Situationen entstanden, für die ein besonderes Make-up nachgefragt wird.Etwa für Videokonferenzenim Heimbüro. Oder während des Tragens von Masken. Ganz allgemein zieht das Geschäft mit Pflegeproduktenan.
„Im Fokus steht nun das Auge“, sagt Boris Entrup, Make-up-Experte für den Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse (VKE) mit Sitz in Berlin. Die Augenbrauen würden betont,Mascara, Lidschatten, Kajal oder Eyeliner kämen verstärkt zum Einsatz - „eben an den Stellen, die man mit Maske zeigen kann“. Hier wird dann schon mal bewusst auffallend und ausgefallen betont: Etwa mit einem Statement-Eyeliner. Der auffallend farbige, besonders dick, grafisch oder mit extra Schwung gezeichnete Lidstrich ist zwar schon lange bei Modefans und zur Inszenierung von Modebildern und den Models auf Laufstegen genutzt worden. Aber im Alltag kommt er erst in der Pandemie verstärkt an – als Akzent neben der vermummenden Schutzmaske.
Verlängerter Lidstrich
genug für den Alltag, aber doch auffallender als der gewohnte Lidstrich nur am Wimpernkranz ist der sogenannten Wing: Es ist eine deutliche Verlängerung des Lidstrichs ein ganzes Stück nach außen hin, so Ricarda Zill, Make-up-Artist und Expertin für den Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW).
Während der Markt für dekorative Kosmetik in diesen Pandemiezeiten laut Ricarda Zill insgesamt stark eingebrochen ist, boomt das Geschäft mit Pflegeprodukten – von Haarkuren bis zur Nagelpflege. Hier ist vor allem erkennbar, dass die Verbraucher immer mehr Wert auf Qualität legen. Es gibt auch ein Bedürfnis nach Transparenz bezüglich der Inhaltsstoffe und dass die Kosmetika nachhaltig produziert sind.
Ist der Inhalt unbedenklich?
Damit einher geht eine Nachfrage nach „clean beauty“, was übersetzt saubere Kosmetik bedeutet. Hersteller dieser Produkte verzichten auf kritische Inhaltsstoffe, oftmals stecken organische, bio und vegane Kosmetika dahinter. Zugleich gibt es ein wachsendes Interesse an pflegenden, unterstützenden Produkten für die Gesichtshaut –oft anstelle von deckendem, starkem Make-up.
Und wenn Make-up gekauft wird, dann häufig jenes, das zum Alltag im Homeoffice und auch insgesamt mehr Zeit in den eigenen vier Wänden passt. Wie die Kleidung haben viele Menschen auch das Make-up dafür verändert, sagt Make-up-Artist Boris Entrup. Er spricht von einem „Home-Level“.
Das eigene Bild vor Augen
Aber da Berufstätigezu Hause auch verstärkt in digitale Kommunikation in Form von Gesprächen vor Laptop-Kameras eingebunden ist, gibt es auch einen Gegentrend. Denn man hat dadurch ständig sein eigenes Bild wie beim Blick in den Spiegel vor sich, zumal Kameras nichts wohlwollend verschleiern. Kaschierende Kosmetikprodukte mit Begriffen wie „Blurring“ und „Pore-Refining-Effekt“ im Namen kommen dann öfter zum Einsatz. Diese versprecheneinen wachen, frischen und ebenmäßigeren Teint mit kleineren Poren.
Aber es tut sich ja auch wieder was da draußen: Restaurants sind offen, Theater spielen wieder, in ersten Clubs wird getanzt. Daher wird jetzt beim Ausgehen geklotzt statt gekleckert. „Die Erleichterung, sich wieder freier bewegen zu können, zeigt sich auch beim Make-up“, sagt Boris Entrup. „Wobei der Trend zu aufwendigerem Make-up schon vor der Pandemie zu erkennen war.“
Kräftig und buschig
Er meint damit etwa die Anleihen aus den 1980er-Jahren. „Rouge ist stark im Kommen, Lidschatten wieder mehrfarbig“, zählt Entrup auf. Und auch schon der erwähnte auffällige Eyeliner und eine Betonung der Augenbrauen gehören dazu. „Die Augenbrauen bleiben jedoch kräftig und buschig – nicht so schmal und akkurat gezupft wie in den 80ern.“ Undaber auch schon mit Blick auf Weihnachten erwartet der Make-up-Experteviel Glanz, insbesondere die Verwendung von Gold.
Knallige Lippen
Und: Trotz des vielen Tragens einer Maske werden derzeit die Lippen gerne in intensiven, knalligen Farben geschminkt. „Zunächst hat man viel klassisches Rot gesehen, dass dann von leuchtendem Pink abgelöst wurde“, berichtet die IKW-Expertin Ricarda Zill. „Lippenstifte mit einem glänzenden Finish sind wieder besonders angesagt.“
Wer sich nun wundert, wie das in Kombination mit einer Maske funktionieren soll? Mit langanhaltenden Produkten, die auch das Küssen und Essen überstehen. Hier wird die Farbe etwa mit einem kosmetischen Lack versiegelt, wodurch sie nicht in der Maske oder an Kleidung kleben bleibt.
Apropos: Lippenstifte trägt man nicht nur auf, man isst sie sozusagen auch mit. Wer sich täglich die Lippen schminkt, kommt auf rund fünf Stifte im Jahr –oder 57 Milligramm Farbmasse am Tag, schreibt die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift „test“ (Ausgabe 11/2021). Das gehe aus Berechnungen des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit der EU-Kommission hervor. Und genau dieser „Verzehr“ ist laut der Stiftung ein Gesundheitsrisiko.
Warentest stellte in allen der 17 getesteten Lippenstifte das weißende Farbpigment Titandioxid fest, auch in Stiften, die als Naturkosmetik verkauft werden. Werde diese Substanz regelmäßig verschluckt, sei eine erbgutschädigende Wirkung nicht auszuschließen. Das genetische Material von Zellen könne unter Umständen geschädigt werden, eventuell sogar Krebs entstehen. Im Test schnitt keiner der Lippenstifte mit dem Urteil „gut“ ab.
Kritik der Warentester
Apropos: Lippenstifte trägt man nicht nur auf, man isst sie sozusagen auch mit. Wer sich täglich die Lippen schminkt, kommt auf rund fünf Stifte im Jahr –oder 57 Milligramm Farbmasse am Tag, schreibt die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift „test“ (Ausgabe 11/2021). Das gehe aus Berechnungen des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit der EU-Kommission hervor. Und genau dieser „Verzehr“ ist laut der Stiftung ein Gesundheitsrisiko.
Warentest stellte in allen der 17 getesteten Lippenstifte das weißende Farbpigment Titandioxid fest, auch in Stiften, die als Naturkosmetik verkauft werden. Werde diese Substanz regelmäßig verschluckt, sei eine erbgutschädigende Wirkung nicht auszuschließen. Das genetische Material von Zellen könne unter Umständen geschädigt werden, eventuell sogar Krebs entstehen. Im Test schnitt keiner der Lippenstifte mit dem Urteil „gut“ ab.