Roy Makaay im Interview: "Weißbier im Bus - das hat einfach dazugehört"


EXKLUSIV-INTERVIEW

Von 2003 bis 2007 ging Roy Makaay für den FC Bayern auf Torejagd. Heute vertreibt sich die niederländische Stürmer-Legende als Bierbrauer die Zeit. Im Interview mitGoalundSPOXspricht der 46-Jährige über sein außergewöhnliches Hobby und blickt zurück auf seine Zeit beim deutschen Rekordmeister.

Mit dabei: Ärger um seinen Wechsel von Deportivo La Coruna nach München, außergewöhnliche Teambuilding-Maßnahmen von Uli Hoeneß und Training unter "Quälix" Magath. Außerdem äußert sich Makaay zu einigen aktuellen Themen rund um die Münchner - insbesondere zu der Verletzung von Torjäger Robert Lewandowski und seinem Landsmann Joshua Zirkzee, der bei seinem Leihklub Parma Calcio kaum zum Zug kommt.

Herr Makaay, wie gerne trinken Sie Bier?

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Roy Makaay: Sehr gerne. Ich trinke zwar nicht jeden Tag, aber ein, zwei Mal die Woche - das mag ich.

Und zu Spielerzeiten?

Makaay: War das nicht anders. Beim FC Bayern haben wir nach den Spielen im Bus häufig das eine oder andere Weißbier getrunken. Ich weiß, heute ist das für einen Profifußballer nicht mehr unbedingt zeitgemäß. Aber damals hat es einfach dazugehört.

Vermissen Sie das Münchner Weißbier?

Makaay: Es geht. Wir in Holland mögen sogenanntes Spezialbier. Das ist stärker als die herkömmlichen Sorten in Deutschland.

Wie viel stärker?

Makaay: So in die 7-Prozent-Richtung sollte es schon gehen. Stärker schmeckt es aber auch.

Roy Makaay über sein Bier: "Nur positives Feedback"

Sie haben in Kooperation mit Ihrem alten Feyenoord-Trainerkollegen Jean-Paul van Gastel ein eigenes Bier namens MR Hapj kreiert. Wie sind Sie darauf gekommen, unter die Bierbrauer zu gehen?

Makaay: Jean-Paul hatte schon vorher eigene Biere gebraut. Als wir beide 2019 bei Feyenoord entlassen wurden, sagten unsere Frauen: "Jetzt könnt ihr ja zusammen ein Bier brauen." Für mich ist es ein schönes Hobby, gerade in Corona-Zeiten.

Brauen Sie auch selbst?

Makaay: Nein, aber wir lassen es in der Nähe von Rotterdam brauen und ich schaue ab und zu in der Brauerei vorbei.

Wie kommt das Bier an?

Makaay: Ich habe nur positives Feedback bekommen. Wir verkaufen auch genug, um die Kosten zu decken, aber ums Geld geht es uns nicht. Wir brauen Bier, weil es uns gefällt.

Gefällt Ihnen Fußball auch noch?

Makaay: Aber klar. Ich schaue viele Spiele und bin gelegentlich als TV-Experte für die deutsche oder spanische Liga im Einsatz. Ich würde auch gerne wieder als Co-Trainer arbeiten, aber bislang hat sich nichts ergeben.

Käme für Sie eine Rückkehr nach Deutschland in Frage?

Makaay: Absolut. Ich halte mir alle Optionen offen.

Roy Makaay über sein Feyenoord-Aus: "Ziemlich enttäuschend"

Vor eineinhalb Jahren wurden Sie bei Feyenoord entlassen. Ihr Abschied soll nicht besonders rühmlich abgelaufen sein.

Makaay: In der Tat. Jaap Stam hat damals gekündigt und wir, die Mitglieder seines Trainerstabs, haben am nächsten Tag aus der Zeitung von unserer Entlassung erfahren. Dass ein Verein einen neuen Weg gehen will, ist okay. Aber dass man das langjährigen Mitarbeitern nicht ins Gesicht sagen kann und dafür die Presse benutzt, ist ziemlich enttäuschend.

Wie ist Ihre Beziehung zu Ihren anderen Ex-Vereinen?

Makaay: Unterschiedlich. In Bezug auf den FC Bayern habe ich mit verschiedenen Menschen sehr viel Kontakt, bin ab und zu als Botschafter für den Verein tätig. Zu Deportivo La Coruna habe ich hingegen weniger Kontakt. Das finde ich sehr schade, weil wir in meinen vier Jahren dort sehr erfolgreich waren. Es tut weh, den Verein jetzt in der 3. spanischen Liga zu sehen. Eine einzige Katastrophe.

Eines Ihrer besten Spiele für Depor machten Sie in der Champions-League-Gruppenphase 2002/03 gegen die Bayern, als Sie Oliver Kahn im Olympiastadion drei Tore einschenkten. Kam Uli Hoeneß danach schon auf Sie zu, um Ihnen einen Wechsel nach München schmackhaft zu machen?

Makaay: Er hat mir zunächst nur gratuliert, sich ein paar Wochen später aber wieder gemeldet und sein Interesse signalisiert. Auch mit Karl-Heinz Rummenigge hatte ich anschließend ein paar Telefongespräche.

Roy Makaay: Wechsel zum FC Bayern statt FC Barcelona

Der FC Bayern soll nicht der einzige Interessent gewesen sein.

Makaay: Barcelona und Valencia haben meinen Berater auch kontaktiert. Am Ende war Bayern aber der einzige Verein, der die finanziellen Forderungen von Depor erfüllen konnte und wollte. Also wurde es Bayern.

Der 18,7 Millionen Euro schwere Deal ging im Sommer 2003 trotzdem erst sehr spät über die Bühne. Warum?

Makaay: Depor war bei den Verhandlungen sehr hartnäckig. Immer, als sich alle Parteien einig zu sein schienen, kam noch die eine oder andere Forderung hinzu. Ich weiß noch, wie ich zum Medizincheck nach München geflogen bin und Uli Hoeneß danach zu mir gesagt hat: "Sorry Roy, du musst warten, wir können dich heute noch nicht präsentieren." Ich musste mich dann vier oder fünf Tage allein im Hotel verbarrikadieren, weil Depor noch um einen kleinen Beitrag feilschte, es ging um die Ausbildungsentschädigung.

Wie haben Sie Hoeneß in diesen Tagen erlebt?

Makaay: Er war natürlich sauer, hat aber die Ruhe bewahrt und ein, zwei Mal im Hotel nach mir geschaut. Ich war auch genervt von der ganzen Situation. Es waren ja schon ein paar Spieltage in der Bundesliga vorüber und ich wollte unbedingt loslegen. Depor hatte mich ja aus Angst vor einer Verletzung den ganzen Sommer über in keinem einzigen Testspiel eingesetzt. Die Vorbereitung war nicht optimal.

Trotzdem brauchten Sie nicht lange, um sich ins Team einzufügen und Ihren Torinstinkt unter Beweis zu stellen. Woran lag das?

Makaay: Der FC Bayern ist wie eine große Familie, die sich gegenseitig an allen Ecken und Enden unterstützt. Zumindest habe ich das in meiner Zeit als Spieler dort so empfunden. Stellen Sie sich mal vor, ein Verein verpflichtet Sie als neuen Torjäger und Ihr Vorgänger hilft Ihnen bei der Eingewöhnung. Das passiert bei keinem Top-Verein außer beim FC Bayern. Da hat Giovane Elber mich bei meinem Umzug nach Grünwald unterstützt und Tipps gegeben, bevor er nach Lyon gegangen ist. Außerdem hat Uli Hoeneß alles dafür getan, damit wir Spieler uns wohlfühlen.

Inwiefern?

Roy Makaay im Interview:

Makaay: Er hat an spielfreien Wochenendtagen oft ein Restaurant in der Innenstadt für einen Brunch reserviert. Da sind dann alle Spieler mit ihren Familien zusammengekommen, und so hat man sich besser kennengelernt. "Ihr seht euch oft genug, also bringt bitte auch eure Frauen und Kinder mit", hat Uli immer gesagt. Ein klasse Manager, der rund um die Uhr und auch bei privaten Angelegenheiten immer für uns da war, vieles organisiert hat.

Wer waren Ihre besten Kumpels in der Mannschaft?

Makaay: Bastian Schweinsteiger ist ein sehr enger Freund von mir geworden. Er war schon damals ein unfassbar guter Fußballer, obwohl er meist noch gegen seinen Willen im linken oder rechten Mittelfeld gespielt hat, und nebenbei ein ganz feiner Kerl. Bei aller Rivalität zwischen Deutschland und Holland: Ich habe ihm den WM-Titel 2014 sehr gegönnt. Wie er da im blutüberströmten Trikot gekämpft hat, war der Wahnsinn.

Gab es einen Spieler, mit dem Sie überhaupt nicht zurechtkamen?

Makaay: Nein, da fällt mir niemand ein. Natürlich gab es in der Kabine hin und wieder ein paar Nickligkeiten, aber große Probleme? Nein. Es war eine gute Mischung aus Spaß und Ernst. Die südamerikanische Fraktion um Ze Roberto, Roque Santa Cruz und Claudio Pizarro hat eine gewisse Lockerheit reingebracht. Da ich aus meiner Zeit bei Teneriffa und Depor Spanisch konnte, waren wir auf Anhieb auf einer Wellenlänge.

Roy Makaay über Oliver Kahn: "Hat einen nicht vollgelabert"

Mit Pizarro bildeten Sie meist die Münchner Doppelspitze.

Makaay: Das hat Spaß gemacht. Claudio und ich haben auf dem Platz nur Spanisch gesprochen. Für unsere Gegenspieler war das ziemlich verwirrend. Sie wussten eigentlich nie, was wir im Schilde führten.

Wie kamen Sie mit Oliver Kahn, dem Kapitän, zurecht?

Makaay:Sehr gut. Oli war ein Leader aus dem Lehrbuch. Einer, der den Dialog gesucht, einen aber nicht vollgelabert hat. Vor den Spielen war er meist sogar der ruhigste in der Kabine, hat sich auf sich fokussiert und Musik auf seinem MP3-Player gehört.

Gab es keinen Kabinen-DJ?

Makaay: Nein, das war damals noch nicht so in Mode. Jeder hatte seine eigene Musik dabei.

Wie oft waren Sie eigentlich im P1?

Makaay: Viermal, und auch nur nach Titelfeiern. Mit Diskotheken konnte ich nie etwas anfangen. Ich war mehr der Restaurantgänger. In Grünwald haben wir uns oft mit Mitspielern zum Essen getroffen. Je älter der Abend wurde, desto voller wurde der Tisch. Das war perfektes Teambuilding.

Roy Makaay: Training unter Magath "hatte es in sich"

Wer war das Partybiest in der Mannschaft?

Makaay: Diese Frage kann ich Ihnen nicht verlässlich beantworten. Aber dass Südamerikaner gut im Feiern sind, ist kein Geheimnis. Trotzdem muss ich sagen, dass wir niemanden hatten, der jedes Wochenende um die Häuser gezogen ist. Das kann man sich auch nicht leisten, wenn man beim FC Bayern spielt.

Wohl erst recht nicht, wenn der Trainer Felix Magath heißt. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn und seine Trainingsmethoden?

Makaay: Bei Magath wird mir immer ein wenig übertrieben. Klar, in der Saisonvorbereitung hatten es die drei Einheiten am Tag mit dem morgendlichen Waldlauf vor dem Frühstück schon in sich. Aber während der Saison war wegen der vielen Spiele oft nur regeneratives Training möglich. Das war schon okay.

Mussten Sie im traditionellen Trainingslager am Tegernsee auch mal am "Quälix'schen" Berglauf teilnehmen?

Makaay: Nein, davon bin ich verschont geblieben. Im ersten Jahr unter Magath bin ich später aus der Sommerpause gekommen, im zweiten Jahr war das Wetter zu schlecht. Ehrlich gesagt hätte ich einen dieser Bergläufe aber schon ganz gerne mitgemacht. Vielleicht hätte ich Spaß daran gehabt.

Roy Makaay "zufrieden" mit seiner Zeit beim FC Bayern

Außer Magath arbeiteten Sie nur mit Ottmar Hitzfeld beim FC Bayern zusammen. Wie war er als Trainer?

Makaay: Ottmar war entspannter. Er wusste aber auch genau, wann er laut werden und die Zügel anziehen musste.

Mit dem FCB gewannen Sie in vier Jahren unter anderem zweimal das nationale Double, blieben in der Champions League aber erfolglos. Wie würden Sie Ihre Zeit an der Isar rückblickend einordnen?

Makaay: In der Champions League hat uns oft das Glück gefehlt, wir hatten teilweise auch sehr früh sehr schwierige Gegner. Ich bin aber auch ohne diesen Titel zufrieden mit meiner Zeit beim FC Bayern. Allein das doppelte Double war ein toller und zum damaligen Zeitpunkt auch außergewöhnlicher Erfolg, weil das Rennen in der Bundesliga noch viel ausgeglichener war als heute. Werder Bremen und Schalke 04 haben es uns immer richtig schwer gemacht. Schade, dass sie jetzt so weit von der Spitze entfernt sind.

Wer über Ihre Zeit bei Bayern spricht, spricht automatisch auch über Ihr Blitz-Tor gegen Real Madrid im Champions-League-Achtelfinale 2007.

Makaay: Das Tor schafft es nicht einmal in meine persönliche Top-10. Aber es war halt unglaublich wichtig und ist bis heute das schnellste Tor der Champions-League-Geschichte.

Wie hat eigentlich Roberto Carlos, der den Ball vor ihrem Tor an Hasan Salihamidzic verlor, nach dem Spiel reagiert?

Makaay: Der war natürlich bedient. Ich weiß noch, wie er danach gesagt hat, es hätte am Platz gelegen (lacht).

In München wurde Ihnen der Spitzname "Phantom" verpasst, weil Sie oft aus dem Nichts auftauchten und sogar Halbchancen ausnutzten. Kann man so etwas trainieren?

Makaay: Nein, man kann zwar Kopfbälle und Abschlüsse trainieren, aber diesen Killerinstinkt hat man oder man hat ihn nicht. Stürmern wird ja oft gesagt, dass sie an den ersten Pfosten laufen sollen. Und in acht von zehn Fällen kommt der Ball auch an den ersten Pfosten. Aber im Strafraum ist so viel los, da kann so viel Unvorhergesehenes passieren. Ich kann Ihnen selbst nicht sagen, warum ich oft an der richtigen Stelle stand.

Wenn Sie sich mit Robert Lewandowski vergleichen: Hatten Sie ihm vielleicht etwas voraus?

Makaay: Für mich ist Lewandowski seit Jahren der beste Mittelstürmer der Welt. Was er im, aber auch außerhalb des Strafraums als mitspielender Neuner macht, ist unglaublich.

Roy Makaay kritisiert Leihe von Joshua Zirkzee

Umso schlechter aus Bayern-Sicht, dass Lewandowski nun fast einen Monat nicht zur Verfügung steht. Ist jetzt der Torrekord von Gerd Müller in Gefahr? Und wen würden Sie als Ersatz aufstellen: Eric Maxim Choupo-Moting oder Serge Gnabry?

Makaay: Es wird sicherlich nicht einfacher für Lewandowski, den Rekord zu brechen. Für Bayern ist dieser Ausfall keine gute Nachricht. Was seinen Ersatz angeht: Das muss man sicherlich vom Gegner abhängig machen. Gnabry ist beweglicher als Choupo-Moting.

Was halten Sie von Erling Haaland?

Makaay: Meiner Meinung nach ist er der beste Nachwuchsmittelstürmer. Wer schon in diesem Alter so konstant trifft, kann nur eine große Zukunft vor sich haben.

Sollte sich der FC Bayern um ihn bemühen?

Makaay: Das ist eine Frage für Brazzo oder Oli. Lewandowski hat aber noch ein paar sehr gute Jahre vor sich, da bin ich mir sicher.

Joshua Zirkzee galt mal als möglicher Lewandowski-Erbe und "neuer Makaay". Jetzt kommt er nicht einmal bei seinem Leihklub Parma über die Rolle des Reservisten hinaus.

Makaay: Ich habe ihn bei Feyenoord ein paar Mal in der Jugend gesehen, da haben viele von ihm geschwärmt. Und ich denke auch, dass er schon in München gezeigt hat, dass viel Talent in ihm steckt. Aber als junger Spieler muss man viel spielen, um sich weiterzuentwickeln. Insofern war sein Schritt nach Parma nicht optimal. Ich weiß nicht, wie die Absprache war, aber es kann nicht sein, dass man sich verleihen lässt und dann nicht spielt. Das bringt ihm nichts, das bringt Bayern nichts.

Roy Makaay: Juan Carlos Valeron war mein bester Mitspieler

Hansi Flick hatte Zirkzee vor seinem Wechsel öffentlich mehrfach vorgeworfen, nicht ehrgeizig genug zu trainieren.

Makaay: Das kann ich nicht beurteilen, aber wenn der Trainer das öffentlich sagt, dann um ein Signal an den Spieler zu senden. Meiner Erfahrung nach wird beim FC Bayern von den jungen Spielern umso mehr Engagement im Training erwartet. Wer da nicht 100 Prozent gibt, hat keine Chance.

Mit welchem Spieler der aktuellen Bayern-Mannschaft hätten Sie in Ihrer aktiven Karriere gerne zusammengespielt?

Makaay: Lewandowski und ich hätten sicher ein gutes Sturmpaar gebildet, aber auch mit einem Typen wie Thomas Müller spielt man gerne zusammen. Wer mir als Persönlichkeit unglaublich gut gefällt, ist Joshua Kimmich. So einen Spieler will man als Stürmer hinter sich haben. Einen, der Kommandos gibt und einem den Rücken freiräumt. Wir hatten damals Michael Ballack und später Schweini. Die waren auch nicht so schlecht.

Wer war der beste Spieler, mit dem Sie je auf dem Platz standen?

Makaay: Juan Carlos Valeron. Wir haben uns bei Depor blind verstanden. Seine Ballbehandlung war wie von einem anderen Stern. Einer der am meisten unterschätzten Spieler aller Zeiten.

Und wer war Ihr härtester Gegenspieler?

Makaay: Schwer zu sagen. Lucio, mit dem ich ja leider nicht nur zusammen gespielt habe, war ein sehr unangenehmer Gegenspieler. Roberto Ayala von Valencia ebenfalls. Und ich habe auch noch den jungen Sergio Ramos mitgemacht. Der war damals schon sehr weit für sein Alter.