BERLIN. Das Infektionsgeschehen unter Schülern in Deutschland wächst weiter rasant – und zieht die Inzidenzen insgesamt nach oben. „In der Meldewoche 43/2021 ist die 7-Tage-Inzidenz im Vergleich zur Vorwoche erneut deutlich in allen, auch in den höheren Altersgruppen angestiegen. Ein sprunghafter Anstieg ist in der aktuellen Woche in der Altersgruppe zwischen 10 und 14 Jahren von 240 auf 356 pro 100.000 zu beobachten“, so schreibt das Robert-Koch-Institut in seinem aktuellen Wochenbericht. Dabei beruhigt sich aktuell ferienbedingt die Pandemie-Lage unter Kindern und Jugendlichen in den beiden bisherigen Hotspots Bayern und Thüringen. Doch Sorge bereitet dem RKI nicht nur das Coronavirus.
Sebastian Mohr, Physiker und Statistiker in einer Wissenschaftler-Gruppe um die Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann, sammelt aktuelle Corona-Daten und veröffentlicht sie fortlaufend in einer Übersichtskarte mit Inzidenzen in den Städten und Kreisen in Deutschland, die sich auch nach Alter spezifizieren lässt. Im brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster liegt die Inzidenz unter Fünf- bis 14-Jährigen danach bei 1.960 – so hoch wie nie zuvor in einer Altersgruppe einer deutschen Region. Allerdings ist bundesweit die Zahl der Landkreise, in denen Inzidenzen unter Schülern über 1.000 liegen, deutlich zurückgegangen: Waren es in der vergangenen Woche noch zehn, sind es aktuell nur noch drei. In den bisherigen Krisenländern Thüringen und Bayern sind derzeit Herbstferien.
Das RKI hat seine Corona-Risikobeurteilung für Deutschland heraufgestuft – für Ungeimpfte jedenfalls
Die Bundesländer reagieren uneinheitlich auf das Infektionsgeschehen in den Schulen. Während in Bayern und Thüringen ab kommender Woche, wenn der Unterricht wieder startet, eine Maskenpflicht im Unterricht wieder gilt (in Thüringen auch wieder eine Testpflicht für Schüler, die dort ebenfalls gestrichen worden war), haben andere Bundesländer – Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein – die Maskenpflicht in den Klassenräumen gerade erst gestrichen. „Die Maßnahme ist verantwortbar“, meint NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann heute in der „Rheinischen Post“. In Sachsen, wo sich Kultusminister Christian Piwarz (CDU) mit dem Coronavirus infiziert hat, wurde der bereits angekündigte Wegfall der Maskenpflicht im Unterricht abgeblasen. Die Landesregierung von Baden-Württemberg erwägt, die Masken in den Klassenräumen nach den Herbstferien wieder einzuführen, obwohl sie erst vor drei Wochen gestrichen wurde.
Das RKI positioniert sich deutlich. „Die aktuelle Entwicklung der Lage ist sehr besorgniserregend, und es ist zu befürchten, dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden können, sollten nicht rasch allgemeine, nichtpharmakologische Maßnahmen – wie das Tragen von Masken, die Einhaltung des Mindestabstands, die Kontaktreduktion, das Lüften – zu einer deutlichen Reduktion der Übertragungen führen“, so heißt es beim RKI. „Diese Maßnahmen sind in der aktuellen Situation aufgrund des hohen Infektionsdrucks auch für Geimpfte und Genesene (auch bei Veranstaltungen oder Treffen unter 3G- und 2G-Bedingungen!) wichtig, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 und auch anderer Erreger, wie Influenza und RSV, zu bremsen und schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern.“
Hintergrund: In Deutschland häufen sich insbesondere unter Kindern schwere Erkrankungen durch das RS-Virus. Die Kapazitäten von Kinderkliniken für Notfälle sind vielerorts bereits ausgeschöpft, wie News4teachers berichtet.
„Es zeichnet sich über die letzten Wochen ein deutlicher Anstieg der Fälle mit COVID-19-Diagnose auf den Intensivstationen ab“
Das RKI hat seine Corona-Risikobeurteilung für Deutschland heraufgestuft – für Ungeimpfte jedenfalls. Die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland wird insgesamt jetzt als „sehr hoch“ angegeben. „Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat, aber aufgrund der steigenden Infektionszahlen ansteigend eingeschätzt.“
Denn: „Mit Datenstand vom 03.11.2021 werden 2.226 Personen mit einer COVID-19-Diagnose auf einer Intensivstation behandelt. Damit zeichnet sich über die letzten Wochen ein deutlicher Anstieg der Fälle mit COVID-19-Diagnose auf den Intensivstationen ab. Innerhalb der letzten Woche vom 27.10.-3.11.21 gab es eine Zunahme um 458 Personen.“
Treiber des Infektionsgeschehens sind offensichtlich die Schulen – auch wenn das nicht ausdrücklich im Wochenbericht erklärt wird. Die bundesweite Inzidenz unter zehn- bis 14-jährigen Schülern ist auf den Rekordwert von 354 gestiegen. Obwohl seit Ostern in Schulen getestet wird, lagen die Werte nie über 250. Das gilt auch für die Grundschüler, die Fünf- bis Neunjährigen, bei denen mit 293 ebenfalls im aktuellen Wochenbericht ein bisheriger Spitzenwert registriert wird. 15- bis 19-Jährige liegen mit 246 nur knapp dahinter.
Insgesamt 753 Corona-Ausbrüche in Schulen hat das RKI in den vergangenen vier Wochen gezählt, wobei durch Nachmeldungen noch weitere hinzukommen können. Betont wird: „Die Zahl der übermittelten Schulausbrüche nahm von Anfang August bis Anfang Oktober 2021 wieder sehr deutlich zu. Bei dem seit Mitte Oktober zu beobachtenden Rückgang spielen vermutlich die Herbstferien eine Rolle.“ Die sind in der kommenden Woche in allen Bundesländern vorbei.
Bemerkenswert: In den vergangenen Wochen hatte das RKI in seinen Berichten die Inzidenzzahlen unter Schülern (auch) mit den regelmäßigen Pflichttests in den Schulen begründet. „Bei der zugenommenen Ausbruchshäufigkeit in Schulen spielen vermutlich die leichtere Übertragbarkeit der Delta-Variante und die ausgeweiteten Testaktivitäten eine Rolle, wobei (auch asymptomatische) Infektionen frühzeitig erkannt werden“, so hieß es. Letzteres wurde von Kultusministerien dankbar als Argument aufgenommen, um das Infektionsgeschehen in den Schulen kleinzureden. Diese Relativierung findet sich im aktuellen RKI-Bericht nicht mehr – kein Wunder: Getestet wird ja nun schon länger, nämlich seit April. Die Zahlen waren aber noch nie so besorgniserregend wie jetzt. News4teachers
Hier geht es zum aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts.