Im dichten Gedränge die Nacht durchtanzen: Nach eineinhalb Jahren mit geschlossenen Clubs ist das wieder möglich. Dank der 2G-Regel können Geimpfte und Genesene wieder feiern, ohne Maske und Abstand. Fast fühlt es sich an wie früher, wie ein Besuch im Frankfurter "Nachtleben" zeigt.
VonLara Karbalaie
Türsteher Pazo Steinmann bleibt hart, auch nachts um 3 Uhr. "Ohne Nachweis kommst du hier nicht rein", macht er dem jungen Mann klar, der vor ihm steht, und auf die queere Veranstaltung "Atomic" im Frankfurter Club Nachtleben gehen will. Ausnahmen macht der 51-Jährige keine: Feierwillige ohne Impf- oder Genesenennachweis kommen an Steinmann nicht vorbei.
Doch der junge Mann kann weder das eine noch das andere vorzeigen - und muss wieder gehen. Er ist ziemlich verärgert, Einsicht zeigt er nicht, diskutiert lange und vergeblich. "Das war heute der einzige Fall dieser Art", erzählt Steinmann und wendet sich dem nächsten Partygast zu.
Tanzen ohne Maske und Abstand
Wer es in den Club schafft, kann feiern fast wie vor Corona. Möglich macht das die 2G-Regelung: Seit September können sich Veranstalter und Clubbetreiber für diese Option entscheiden. Zutritt haben dann nur noch Geimpfte und Genesene - ein Schnell- oder PCR-Test reicht nicht mehr aus. Dafür locken entscheidende Erleichterungen, Abstand und Maskenpflicht fallen weg.
Endlich wieder ausgelassen in der Menge tanzen, aus dem selben Glas trinken und dicht an dicht an der Bar ungeduldig darauf warten, dass der Barkeeper das Getränk über die Theke reicht. Die Freude am Ausgehen ist so groß wie früher, und der Andrang an diesem Abend ist es auch.
Aber verschwunden ist Corona eben nicht, und das ist auch im Nachtleben spürbar. Neben dem 2G-Nachweis muss jeder Gast auch sein Smartphone vorzeigen. Einchecken über die Luca-App ist Pflicht. Tritt doch ein Corona-Fall auf, könnten die Clubbesucherinnen und -besucher so informiert werden.
"Schritt Richtung Normalität"
"Es ist schon Stress mit der Registrierung über die Luca-App und mit dem Impfausweis. Aber ich finde es sinnvoll und gut", meint Student Maximilian Möller. Er freut sich, dass es so weiter "in Richtung Normalität" gehe. So denken viele. Auch wenn sich längere Warteschlangen bilden: "Die allermeisten Gäste haben Verständnis und freuen sich einfach auf den Abend", berichtet Türsteher Steinmann.
Denn drinnen wartet die wiedergewonnene Freiheit. "Man weiß, man geht gleich runter zur Tanzfläche, kann frei sein und einfach tanzen", freut sich Louisa Behr. "Die Hitze zu spüren, den Schweiß – das ist einfach super schön!" Die 24 Jahre alte Studentin möchte "einfach eine gute Zeit haben". Wieder in einem Club zu sein, gebe ihr "ein wahnsinniges Befreiungsgefühl".
Zwischen Freiheitsgefühl und Skepsis
Auf der Tanzfläche des Clubs erinnert wirklich nichts mehr an Corona: Junge Menschen tanzen dicht gedrängt im bunten Partylicht. Es läuft überwiegend Pop und Indie-Musik, dann kommen Drag Queens auf die Bühne. Ausgefallene Kleider in glitzernden Farben schmücken sie. Ihre gestylten Haare und ihr Make-up werden vom Bühnenlicht in Szene gesetzt. Eine von ihnen performt zu Whitney Houstons "I will always love you". Das Publikum stimmt leidenschaftlich ein. Die Stimmung ist ausgelassen. Berührungsängste scheint hier niemand zu haben. Dabei ist es schon lange her, dass man fremden Menschen so nahe war.
Auch Gwen Iffland gewöhnt sich gerne wieder daran. Ein wenig merkwürdig sei es schon noch, wieder so eng beieinander zu stehen, gesteht die 26-Jährige. Deshalb sitzt sie gerade draußen an der frischen Luft. Hier ist weniger los. "Ich hatte sehr schnell das Bedürfnis, mal rauszugehen. Ein bisschen Skepsis ist schon noch dabei", gibt Iffland zu.
"Andrang größer als vor Corona"
Veranstalterin Jasmine Drinkorn ist mehr als zufrieden. Es seien sogar mehr Leute gekommen als vor der Corona-Zeit, freut sie sich. Knapp 300 Feierwillige kommen hier an diesem Abend zusammen. "Man merkt, dass die Leute wieder Lust haben, weg zu gehen." Die Organisation sei allerdings deutlich komplizierter gewesen. "Man musste sich sehr gut informieren", erzählt die 39-Jährige.
Zumal sich die Regeln auch jederzeit wieder ändern können. Für Veranstalterinnen wie Drinkorn kann sich dann auch ein gewisses Risiko ergeben, vor allem ein finanzielles. Beschwerden von Gästen gegen die 2G-Regel auf der Veranstaltung habe es nicht gegeben. "Dabei hatte ich wirklich Bedenken, auf 2G zu gehen. 3G bedeutet aber Masken tragen und Abstand halten", erklärt Drinkorn. "Das ist einfach was ganz anderes, jedenfalls keine Tanzveranstaltung."
Abschalten und treiben lassen
An diesem Abend feiert Jasmine Drinkorn mit - auch noch um 3 Uhr morgens. Noch immer wollen neue Gäste in den Club. Lange in der Kälte warten müssen sie nicht mehr, die Schlange ist mittlerweile kürzer.
Wer tanzen will, muss über eine Treppe in den Keller hinuntersteigen. Ein leuchtend rotes Neonschild mit dem Schriftzug "Atomic" hängt an der Wand und strahlt den Besuchern entgegen. Hier erleben viele dank 2G, wonach sie sich so lange gesehnt haben: das Gefühl, endlich wieder abzuschalten und sich gedankenlos durch den Abend treiben zu lassen.
Doch auf dem Weg dahin ist Corona präsent, nicht nur wegen der Kontrollen. Auf den Treppenstufen kleben zwei Richtungspfeile und ein schwarz-gelb gestreiftes Band. Für den Abend haben sie keine Bedeutung, tagsüber allerdings schon. Das Nachtleben ist dann ein Café, und hier gilt 3G.Weitere Informationen
Sendung: hr1, 15.10.2021, 12.38 Uhr
Ende der weiteren InformationenQuelle: hessenschau.de