Martha Tucker ist heute 94 Jahre alt. Sie hat vier Kinder, elf Enkel, 18 Urenkel und einen Ur-Ur-Enkel. Als Jugendliche hatte sie immer davon geträumt, an ihrem Hochzeitstag ein klassisches weißes Kleid zu tragen, wie sie der "Washington Post" berichtet. Doch als sie 1952 heiratete, wurde ihr der Zutritt zum Brautmodengeschäft verwehrt – aufgrund ihrer Hautfarbe.
Als Schwarze in Birmingham, Alabama, durfte sie kein Kleid anprobieren. Ihr Traumkleid: ein besticktes weißes Kleid mit Spitzenüberzug und langen Ärmeln. Wie sie der "Washington Post" erklärte, dachte sie damals nicht einmal daran, ein Hochzeitskleid zu kaufen, "weil ich wusste, dass ich nicht in den Laden gehen konnte". Viele Jahre lang war es ihr Traum, einmal ein Hochzeitskleid zu tragen. Ein Traum, der in Erfüllung gehen sollte.
Rassentrennung in den 50ern
Im Jahr 1952 gab es keine Brautmodengeschäfte in schwarzem Besitz in der Stadt. In der "Washington Post" erinnert sich Martha Tucker, dass Einzelhandelsgeschäfte in weißem Besitz es Schwarzen nicht erlaubten, Kleidung anzuprobieren: "Wenn man etwas kaufen wollte, musste man im Keller gebrauchte Sachen kaufen."
Tucker und ihr Mann heirateten in einer einfachen Zeremonie im Wohnzimmer ihres Pastors. Keine traditionelle Hochzeit – oder überhaupt nur ein Kleid – gehabt zu haben, macht Martha Tucker immer noch traurig. "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich die Möglichkeit hätte haben sollen [ein Hochzeitskleid] zu tragen, wenn ich es gewollt hätte", sagt sie.Ich wollte schon immer mal ein Hochzeitskleid tragen
Die rettende Idee, die Martha Tuckers Traum doch noch erfüllen sollte, kam von ihrer Enkelin Angela Strozier. Während beide einen Film zusammen sahen, drehte sich Tucker zur 46-Jährigen um, und sagte: "Ich wollte schon immer mal ein Hochzeitskleid tragen. Das wollte ich schon lange tun, seit ich geheiratet habe." Bis zu diesem Moment sei der Enkelin nie bewusst gewesen, dass ihre Großmutter nur aufgrund der Hautfarbe nie die Möglichkeit gehabt hatte, ein Hochzeitskleid anzuziehen.
Strozier buchte einen Termin in einem Brautmodengeschäft für eine Anprobe von Martha Tuckers Traumkleid. Zum Termin lud sie einige Familienmitglieder ein. "Ich wollte das einfach für sie tun," sagte Strozier zur "Washington Post". "Ich wollte, dass sie versteht, dass ein aufgeschobener Traum kein verweigerter Traum sein muss."
Der Traum wird wahr
Vor dem Termin ging Angela Strozier mit ihrer 94-jährigen Großmutter Mittagessen und ließ ihr das Make-Up machen. Dann war es endlich so weit: Obwohl der Brautstylistin des Brautmodengeschäfts klar war, dass Tucker kein Kleid kaufen, sondern nur anprobieren würde, zeigte sie der alten Dame alles genauso gründlich, wie sie es bei jeder anderen Braut auch tat. Die Gelegenheit bei der Erfüllung dieses Traumes zu helfen, sei ihr eine Ehre gewesen, erklärte sie der "Washington Post".
Dann zeigte Tucker enthusiastisch auf eine Schaufensterpuppe: "Auf diesem Kleid steht mein Name." Kurz darauf kam Tucker aus der Umkleidekabine. Sie trug ein weißes Spitzenkleid, mit Pailletten besetzt, mit V-Ausschnitt, durchsichtigen Ärmeln und einem Gürtel aus glitzernden Kristallen. "Mein Traum war wahr geworden", freute sich Tucker – fast 70 Jahre nach ihrer Hochzeit.
Emotionale Anprobe
Während Tucker sich ungläubig im Spiegel betrachtete, versammelten sich Familie, Mitarbeiter und andere Bräute, die für ihre eigenen Termine da waren, um sie herum. "Sie kam heraus, und die Tränen begannen", erinnerte sich die Enkelin. Aber niemand war begeisterter als Tucker, die gleich noch ein zweites Kleid inklusive Strumpfband anprobierte, um sich wie eine echte Braut zu fühlen.
"Ich wünschte, ich hätte dieses Kleid getragen, als ich geheiratet habe", sagte Tucker. Ihr Mann verstarb 1975. "Ich wünschte, er hätte mich darin sehen können." Dennoch entschied sie: Besser spät als nie. "Ich habe immer gesagt, bevor ich diese Welt verlasse, möchte ich ein Hochzeitskleid anziehen", sagte Tucker. "Und ich bin froh, dass ich es getan habe."
Quelle: "Washington Post"