Los Angeles -Mehr als zwei Jahrzehnte hat Toby Gad kaum Deutsch gesprochen, doch jetzt kommt dem gebürtigen Münchner die Muttersprache wieder ganz locker über die Lippen. „Ich musste mein Deutsch wieder zusammenkriegen. Ich habe einige Bücher laut gelesen, da hat mir der Mund wehgetan“, erzählt Gad mit einem Grinsen. „Das ist viel mehr Mundarbeit als die amerikanische Aussprache.“ Gad lacht viel im Zoom-Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Der 53-jährige Musikproduzent sitzt dabei in seinem Studio in Los Angeles, mit Blick ins Grüne. Pool, Palmen, Hängematte vorm Fenster.
Das Angebot, neben Schlagerstar Florian Silbereisen und Sängerin Ilse DeLange Juror bei der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) zu werden, bringt Gad nun wieder in seine Heimat zurück. Im vorigen Sommer wurde die 19. Staffel in Deutschland aufgezeichnet, jetzt ist die Talentshow auf Sendung. Die erste Ausgabe am Samstagabend schalteten 2,65 Millionen ein, deutlich weniger als in den vergangenen Jahren.
Gad ist in der US-Musikszene ein Star
Hinter Gad liegen 21 bewegte Jahre, in denen er sich in New York und Los Angeles einen Traum erfüllte. Mit Fergie schrieb er den Hit „Big Girls Don’t Cry“, mit Beyoncé produzierte er „If I Were A Boy“, mit John Legend schuf er die Erfolgsballade „All Of Me“. Aufnahmen mit Madonna, Selena Gomez, Miley Cyrus oder Demi Lovato, Einladungen zu Grammy-Partys, Musik-Trophäen - Gad wurde in der amerikanischen Musikszene selbst zum Star.
Doch der Weg war schwer. Am Anfang habe er so gut wie nichts verdient. „Die ersten drei Jahre muss man einfach durchhalten und sehr hart arbeiten und erstmal nichts erwarten“, blickt der Songwriter und Produzent zurück.
Eine billige Wohnung mit Schimmel an den Wänden, eine knappe Haushaltskasse, Nudeln und Suppe, tägliches Klinkenputzen auf der Suche nach jungen Talenten und Studios, die mit ihm arbeiten möchten - das beschreibt Gad in seiner Autobiografie „All of Me“, die am Dienstag (25.1.) in Deutschland erscheint.
Mit Ausdauer zum Erfolg
Musikalisches Können brachte der Sohn eines Dänen und einer deutschen Mutter jedenfalls mit. Mit seinem älteren Bruder spielte er früh in einer Band, lernte Klavier und Gitarre. Mit 20 arbeitete er für den Hit-Produzenten Frank Farian und schrieb Songs für ein Album von Milli Vanilli.
Mit der damals noch unbekannten Fergie schrieb Gad 2002 in New York den Song „Big Girls Don’t Cry“, doch erst fünf Jahre später wurde das Lied veröffentlicht - und zum Hit. In der Branche braucht man Ausdauer und Geduld, meint Gad. „Das Musikgeschäft ist fast nur Enttäuschung, 99 Prozent Absagen, aber immer wieder hat dann doch mal was geklappt“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Mit seiner Frau, einer gebürtigen Chinesin, und den beiden Töchtern zieht Gad 2009 nach Los Angeles. Dort hebt seine Karriere endgültig ab. Natürlich sei man vor Begegnungen mit großen Stars für Aufnahmen nervös, räumt Gad ein. „Das ist ein bisschen wie Speed-Dating, denn man kennt sie ja vorher nicht und hat dann ein paar Stunden zusammen.“ Er habe sich immer gut vorbereitet, viel über die Künstler gelernt, was gerade in deren Leben passiert. „Das Ziel ist eigentlich, dass man zusammen improvisieren kann und zusammen Spaß hat und die Musik einfach aus sich herausfließen lassen kann.“
Anlaufschwierigkeiten mit Madonna
Mit Superstar Madonna lief es anfangs nicht so gut. „Das hat ein bisschen gedauert und hat auch einige Auseinandersetzungen gebraucht“, erzählt Gad über eine längere Plattenaufnahme im Jahr 2014. Es sei zu einem regelrechten Wortgefecht gekommen, als er Madonna mit dem Hinweis „Das kannst du besser“ dazu drängte, einen Song nochmal aufzunehmen, schildert Gad in seinem Buch.
„Madonna begann, mich zu respektieren. Sie war fortan auch an meiner Meinung interessiert, schätzte meine Ehrlichkeit [...] Ich war von da an, scherzhaft genannt, so etwas wie ihr German Dictator.“ Er habe Madonna als „warmherzige“ Person erlebt, schreibt Gad. Er und seine Frau seien von der Sängerin auch zu ihrer Geburtstagsparty auf ein Schloss in Frankreich eingeladen worden.
Gad hat viele Erfolgsgeschichten, aber spricht auch über verpasste Chancen, als er junge Talente nicht erkannt und abgewiesen habe. „Die 13-jährige Taylor Swift war bei mir im Studio und Katy Perry, nachdem sie ihren zweiten Plattenvertrag verloren hatte und ganz am Boden war, mir der hätte ich anfangen können“, erzählt der Produzent.
DSDS-Juror eine „wunderschöne Erfahrung“
Kritisch geht er auch mit sich ins Gericht. Zeitweise habe der Beruf völlig sein Leben bestimmt, die Musik sei wie eine Droge gewesen. Seine Familie habe oft zurückstecken müssen, schreibt er in „All of Me“. Vor einigen Jahren zog Gad die Bremse. Nun produziert er deutlich weniger Songs, widmet sich dafür aber anderen Hobbys und Projekten. Mit seiner Familie wohnt er am Rande der Hollywood Hills nah an der Natur. Er geht Wandern und Surfen und ist mit seiner Frau im Umweltschutz aktiv.
Sein Herzensprojekt ist der Schutz bedrohter Orang-Utans auf der Insel Borneo. Gad dreht derzeit einen Film über die kanadische Primatenforscherin Biruté Galdikas und ihre Organisation „Orangutan Foundation International“.
Seine neue Rolle als DSDS-Juror beschreibt Gad als „wunderschöne Erfahrung“, die er gerne viele Jahre weitermachen wolle. Im Prinzip sei das wie bei ihm im Plattenstudio, wo Künstler sich mit ihren Songs vorstellen - „nur das es bei „DSDS“ auf Deutsch ist“, lacht Gad. Er würde andere gerne dazu inspirieren, an ihre Träume zu glauben und daran zu arbeiten. „Es lohnt sich dafür zu kämpfen und das zu probieren“, sagt Gad - aus Erfahrung.