Meißen: Seepferdchen in Not | Sächsische.de

Früher. Ja früher war vieles besser, wird sich jetzt der ein oder andere denken. Früher konnten fast alle Kinder der vierten Klasse schon schwimmen. Heute kann es nicht einmal mehr die Hälfte.

Aktuelle Zahlen aus dem statistischen Jahresbericht der DLRG: 50 % weniger Kinder bundesweit (nur bei der DLRG!) konnten 2020 im Vergleich zum Vorjahr an einer Anfängerschwimmausbildung aufgrund der Pandemie teilnehmen. Das sind in absoluten Zahlen 70.000 Kinder.

Für das Schwimmabzeichen Bronze sind es 70 % weniger Teilnehmer (Kinder, Jugendliche und Erwachsene). Das sind in Summe 30.000 Personen, die die Stufe des sicheren Schwimmens nicht ablegen konnten.

Diese Statistik birgt eine große Gefahr. Im Sommer sind Kinder im Freibad, in der kälteren Jahreszeit in den Schwimmhallen und Spaßbädern. Mit Anlauf ins Wasser springen, die Badefreunde werden nass gespritzt. Ein riesiger Spaß - nur weniger für die Kinder, die nicht richtig schwimmen können. Der DLRG Bezirk Niederes Elbtal e.V. schlägt Alarm und äußert sich besorgt und richtet auch seinen Appell an die Eltern.

​"Es müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass wieder mehr Kinder schwimmen lernen können!"

Aber die Situation ist hart. Von Jahr zu Jahr gibt es weniger Schwimmbäder. Einige mussten schon in den letzten Jahren schließen, weil der Erhalt dieser Schwimmbäder einfach in der Unterhaltung zu teuer geworden ist. Und die Welle wird sich fortsetzen. Bedingt durch die Pandemie werden auch in der kommenden Zeit einige Badehäuser schließen müssen. Daraus resultierend, können Grundschulen den gemeinsamen Schwimmsport nicht mehr anbieten.

Vom Nichtschwimmer zum Schwimmer

„Herr Richter, Sie sind Technischer Leiter Ausbildung beim DLRG Bezirk Niederes Elbtal e.V.. Sollten Eltern mehr darauf achten, dass Kinder richtig schwimmen lernen, als in Spaßbädern einfach nur durch Tunnel zu rutschen und im flachen Wasser zu planschen?“

„Das eine schließt das andere nicht aus. Rutschen und planschen gehören zur Wassergewöhnung dazu und dies ist wiederum eine Voraussetzung für das Schwimmen lernen. Bei uns ist die Nachfrage nach Seepferdchenkursen extrem hoch. Das zeigt, dass der Großteil der Eltern sich dieser Verantwortung bewusst ist. Nur leider fehlen den Eltern die Möglichkeiten, da die Kapazitäten an Schwimmkursen hier in der Region und auch bundesweit einfach nicht ausreichen. Beachten sollten die Eltern aber vor allem bei Kindern, die das Seepferdchen abgelegt haben, dass das Schwimmen weiterhin trainiert wird. Von einem sicheren Schwimmer spricht man erst mit dem Erwerb des Schwimmabzeichens in Bronze. Das gilt übrigens auch für Erwachsene, die ihre eigenen Schwimmfähigkeiten zum Teil auch leichtfertig überschätzen.“

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„Was bieten Sie alles für Kurse außerhalb des Schulschwimmsportes an?“

„Das klassische Schulschwimmen können wir gar nicht anbieten, dafür fehlt uns das Personal, da alle ehrenamtlich arbeiten. Unsere Seepferdchenkurse werden unabhängig vom Schulschwimmen durchgeführt. Aber darüber hinaus bieten wir je nach Alter Kurse für alle Schwimmstufen und Rettungsschwimmabzeichen an. Wir haben auch eine starke Wettkampfgruppe, die im nationalen und internationalen Rettungssport große Erfolge erzielt.

Über das Schwimmen hinaus bieten wir Erste-Hilfe Ausbildungen und die notwendigen Ausbildungen für unsere Einsatzkräfte im Wasserrettungsdienst und Katastrophenschutz an.“

„Richtet sich Ihr Angebot eigentlich ausschließlich an Kinder oder können auch ältere Menschen bei Ihnen Kurse belegen?“

„Für die klassischen Schwimmabzeichen ja. Für die Jugendlichen haben wir das Jugend-Einsatz-Team und die Wettkampfgruppen. Uns fehlt leider das Personal, um Erwachsenenschwimmkurse anzubieten, auch wenn Bedarf besteht. Erwachsene Mitglieder können dennoch bei uns im "freien Training" miteinander trainieren. An den Kursen für Rettungsschwimmer können aber alle teilnehmen, die die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen.“

„Sehen Sie mit Besorgnis in die Zukunft, was den Schwimmunterricht betrifft?“

„Ja, im Zuge des Bädersterbens machen wir uns große Sorgen, was die Zukunft des Schwimmunterrichts betrifft. Die Wege für die Schülerinnen und Schüler zu den Schwimmhallen werden zu weit, sodass das Schulschwimmen zunehmend vom Stundenplan gestrichen wird. Die Pandemie verstärkt das Problem noch weiter. Nicht nur, dass jetzt gerade kein Vereins- und Schulschwimmen stattfinden kann, wir können derzeitig auch keine Rettungsschwimmausbildung durchführen. Es ist nicht klar, wann der derzeitige "Stau" im Anfängerschwimmen abgebaut werden soll.

Wer uns bei dieser Arbeit unterstützen möchte, kann sich gern bei uns melden. Umfangreiche Trainererfahrung ist dafür nicht zwingend erforderlich.“

DLRG Wasserratten oder Trockenschwimmer gesucht

Der DLRG Bezirk Niederes Elbtal e.V. besteht seit 1913 und zählt über 350 Mitglieder. Junge Leute im Alter zwischen 13 und 17 Jahren können dem Jugend-Einsatz-Team oder kurz JET beitreten. Hier besteht die Möglichkeit, als Jugendlicher in die Wasserrettung einzutauchen. Als Ziel hat sich das JET eine erfolgreich absolvierte Fachausbildung Wasserrettungsdienst gesetzt. Neben theoretischem Unterricht wird im Jugend-Einsatz-Team auf eine praktische Vermittlung der Kenntnisse für den Wasserrettungsdienst wert gelegt. In vielen praktischen und spaßigen Ausbildungnachmittagen lernt der JET'ler die Grundlagen des Rettungsschwimmens, Funkens und der Ersten-Hilfe.

Wer sonst Interesse hat, dabei zu sein und Teil der größten ​ehrenamtlichen Wasserrettungsorganisation der Welt zu werden, ist herzlich willkommen.

Egal ob jung oder alt, ob Wasserratte oder Trockenschwimmer. Kontakt über [email protected]