Vier Maßnahmen, die Photovoltaik-Dachanlagen wieder wirtschaftlich machen

Mit den erhöhten Zielen im Koalitionsvertrag wurde die Photovoltaik zum Garant für einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien erklärt. Denn mit Solaranlagen kann kurzfristig schneller ausgebaut werden – im Gegensatz zum Bau von Windkraft-Anlagen, die einen wesentlich längeren Vorlauf haben.

Ein Forschungsteam des Öko-Instituts hat vier Maßnahmen präzisiert. Sie helfen, die jährlichen Zubauraten an Anlagen für die Erzeugung von erneuerbaren Energien so schnell wie möglich zu erreichen und auch langfristig zu halten. Die im folgenden dargestellteKurzanalyse basiert auf der Studie „Wirtschaftlichkeit von Photovoltaik-Dachanlagen“, die die Wissenschaftler im Auftrag des Umweltbundesamtes im Oktober 2021 veröffentlicht haben. Die dort entwickelten Empfehlungen für Politik-Maßnahmen wurden nun aktualisiert und konkretisiert.

Die erste der Maßnahmen muss kurzfristig bis Ende Januar umgesetzt werden und sollte daher der Gesamt-Novelle vorgelagert werden.

Handlungsempfehlungen:

  1. Die automatische Degression der Vergütungssätze wird kurzfristig bis zum Inkrafttreten der EEG-Novelle ausgesetzt.
  2. Die Vergütungssätze werden einmalig um mindestens zwei Cent pro Kilowattstunde in der Vergütungskategorie bis 10 Kilowattpeak und mindestens 1,5 Cent pro Kilowattstunde für größere Anlagen angehoben. Dies setzt einen Impuls, um die Zubauraten schnell zu steigern.
  3. Zusätzlich wird ein Vergütungsaufschlag in Höhe von 4 bis 4,5 Cent pro Kilowattstunde für Volleinspeise-Anlagen gezahlt, da diese unter den aktuellen Umständen nicht wirtschaftlich betrieben werden können.
  4. Der Degressionsmechanismus wird überarbeitet, um langfristig die geplanten Zubauraten zu sichern und eine angemessene Vergütung zu gewährleisten: vom „atmenden Deckel“ hin zur „atmenden Hebebühne“.

Maßnahme 1: Kurzfristiges Aussetzen der Degression

Seit Anfang 2020 sind Photovoltaik-Anlagen kleiner 100 kWp um etwa 20 Prozent teurer geworden (Photovoltaik-Preismonitor Deutschland, 3. Quartal 2021 des Fachverbandes BSW-Solar). Gleichzeitig fielen Vergütungssätze um mindestens 1,4 Prozent monatlich und liegen nun etwa ein Drittel unter dem Wert von Anfang 2020. Nachdem der PV-Zubau seit Oktober 2019 durchgehend angestiegen war, macht sich die verminderte Wirtschaftlichkeit seit Mai 2021 auch in den Hochrechnungen für die Jahreszubauten bemerkbar, und der atmende Deckel lässt die Zubauraten an die Zubaukorridor des EEGs 2021 annähern (Abbildung 1).

Ende Januar werden die Vergütungssätze für Februar bis April 2022 festgelegt werden. Damit diese Entwicklung nicht noch weiter manifestiert wird, muss als kurzfristige Maßnahme die Degression mindestens bis April 2022 ausgesetzt und damit die Vergütungssätze eingefroren werden. Eine längerfristige Aussetzung sollte dann im Rahmen der Maßnahme 4 bei der EEG-Novelle geprüft werden.

Maßnahme 2: Vergütungssätze einmalig anheben

Die beschriebene gegenläufige Entwicklung von Anlagenpreisen und Vergütungssätzen sollte durch ein einmaliges Anheben der Vergütungssätze ausgeglichen werden. Wie hoch diese ausfallen sollte, ist im Folgenden beschrieben.

Zur Methode: Die nachfolgende Berechnung basiert auf den in UBA (2021) dokumentierten Inputdaten. Die Anlagenpreise wurden basierend auf dem BSW PV-Preismonitor für das 3. Quartal an die aktuelle Entwicklung angepasst. Die EEG-Umlage wird ab 2023 auf 0 Cent pro Kilowattstunde gesetzt, entsprechend dem Koalitionsvertrag.

Die Berechnung: In Abbildung 2 sind die Vergütungssätze für Januar 2022 und die Stromgestehungskosten (LCOE) für die Anlagenklassen 5, 30 und 60 Kilowattpeak dargestellt. Entsprechend dem Ansatz in UBA (2021) wurde zwischen niedrigen, mittleren und hohen Stromgestehungskosten variiert – etwa Vollbenutzungsstunden, Zinssatz, Anlagenpreise. Für die Entwicklung der Endkunden-Strompreise liegen drei Szenarien zugrunde: mit konstanten Preisen, einem jährlichem Preis-Anstieg von einem Prozent sowie einem jährlichem Preis-Rückgang von einem Prozent angesetzt.

Vier Maßnahmen, die Photovoltaik-Dachanlagen wieder wirtschaftlich machen

In Abbildung 2 sind die aktuell gültigen Vergütungssätze für Januar 2022 den Stromgestehungskosten (Levelized Costs of Electricity, LCOE) für Eigenverbrauchsanlagen gegenübergestellt. Die Eigenverbrauchsquote wurde mit 25 Prozent für private Haushalte und 35 Prozent für Gewerbe angesetzt. Stromgestehungskosten geben an, welche Kosten aufgewendet werden müssen, um eine Kilowattstunde Strom zu erzeugen.

Wählt man die mittleren Stromgestehungskosten als Zielwert, ergeben sich zu den Vergütungssätzen nach EEG 2021 zusätzliche Finanzierungsbedarfe von etwa 2 Cent pro Kilowattstunde für 5-Kilowatt-Anlagen und von jeweils etwa 1,5 Cent pro Kilowattstunde für 30- und 60-Kilowatt-Anlagen. Dies entspricht in etwa den Vergütungssätzen von August 2020 und Dezember 2020 für 30-Kilowatt-Anlagen.

Damit eine größere Anzahl an Anlagen wirtschaftlich wird, könnte auch ein etwas höherer Aufschlag geprüft werden.

Die Höhe der einmaligen Anhebung hängt auch davon ab, auf welches Niveau die Vergütungssätze bis zum Inkrafttreten der EEG-Novelle sinken werden. Das ist abhängig davon, ob die Degression vorher ausgesetzt wird, wie bei Maßnahme 1 beschrieben.

Maßnahme 3: Aufschlag für Volleinspeise-Anlagen

Abbildung 3 zeigt die aktuell gültigen Vergütungssätze für Januar 2022, die erhöhten Vergütungssätze entsprechend Maßnahme 2 und die Stromgestehungskosten für Volleinspeiseanlagen.

Volleinspeise-Anlagen benötigen nach einer Umsetzung der einmaligen Vergütungserhöhung für eine wirtschaftliche Realisierung einen Aufschlag von mindestens 4,5 Cent pro Kilowattstunde für 5-Kilowatt-Anlagen, 3,9 Cent pro Kilowattstundefür 30-Kilowatt-Anlagen sowie 4,4 Cent pro Kilowattstunde für 60-Kilowatt-Anlagen.

Diese höheren Vergütungssätze für Photovoltaik-Anlagen, die ihren Strom vollständig in das Stromnetz einspeisen, sollten im EEG aufgenommen werden. Dies kann entweder als Zuschlag auf den regulären Vergütungssatz oder als separates Vergütungssegment erfolgen.

Diese Maßnahme würde es auch ermöglichen, Dachpotenziale zu erschließen, bei denen der Photovoltaikstrom nicht oder nur mit erheblichem Aufwand selbst genutzt werden kann. Der Volleinspeise-Aufschlag kann somit auch als ergänzender Ansatz zum Mieterstrommodell genutzt werden, das auch nach seiner Reform keinen substanziellen Beitrag zum Ausbau der Photovoltaik leistet. So entfallen nur 0,7 Prozent der in diesem Jahr bis Ende Oktober im Nicht-Ausschreibungssegment installierten Anlagen auf das Mieterstrommodell. Gerade in Städten mit großem Anteil von vermieten Häusern oder Häusern mit Eigentümergemeinschaften geht dadurch der Photovoltaik-Ausbau zu langsam voran. Mit einem Volleinspeise-Zuschlag würde sich für diese Dachpotenziale eine Wahlmöglichkeit ergeben und der innerstädtische, verbrauchsnahe Photovoltaik-Zubau könnte erheblich beschleunigt werden.

Um etwaigen Mitnahmeeffekten vorzubeugen, sollten die Wechselmöglichkeiten zwischen Eigenverbrauchsnutzung und Volleinspeise-Aufschlag eingeschränkt werden. Möglich wäre das, wenn sich Anlagenbetreiber bei der Inbetriebnahme entscheiden müssen oder nur einmalig in das Eigenverbrauchssegment wechseln können.

Maßnahme 4: Degressionsmechanismus überarbeiten

Aktuell ist es unklar wie sich die Anlagenpreise in den nächsten Monaten entwickeln werden. Ein Rückgang ist zunächst unwahrscheinlich, da sich insbesondere der Mangel an Handwerkern durch den höheren Zubaubedarf weiter zuspitzen wird.

Eine Möglichkeit, der Situation zu begegnen, wäre, die Degression längerfristig als in Maßnahme 1 vorgesehen auszusetzen – zum Beispiel für ein Jahr. In dieser Zeit sollten die Entwicklungen der Anlagenpreise und des Zubaus evaluiert werden. Auf dieser Basis kann der Degressionsmechanismus neu justiert werden.

Hierbei sollte der Fokus auf dem Erreichen des notwendigen Zubaus liegen, also eine „atmende Hebebühne“ statt eines „atmenden Deckels“. Als zentrales Element muss zunächst die Basisdegression entsprechend dem erwarteten Kostenrückgang gewählt und regelmäßig evaluiert werden. Vor dem Anstieg der Anlagenpreise sind diese jährlich um etwa zwei Prozent pro Jahr gesunken. Dies würde einer monatlichen Degression von 0,2 Prozent entsprechen und wäre unter Umständen perspektivisch eine Option für die Basisdegression. Die Basisdegression sollte für einen relativ großen Bereich bei einer Überschreitung des Zielwerts gelten. Bei einer Unterschreitung des Zielzubaus sollten die Vergütungssätze angemessen erhöht werden und um den Zubau wieder stärker anzureizen.

— Der Autor David Ritter ist Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Standort Freiburg des Öko-Instituts. Schwerpunkt seiner Arbeit sind der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor und deren Finanzierung sowie Szenarien- und Datenanalysen zur Entwicklung des Energiesystems. Der Beitrag erschien zuerst im Blog des Öko-Instituts. —

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