Was geht in Bezug auf Kleidung an der Schule und was nicht? Mia Kirshner im Film «Not Another Teen Movie» (2001). (Foto: Columbia)
In Deutschlang gab’s letzthin 400 Euro Busse für einen Bleistift im Ausschnitt eines 15-jährigen Mädchens. Da reingesteckt hat ihn nicht etwa ein notgeiler Lehrmeister und auch kein pädophiler Lehrer, sondern eine Lehrerin. Ihre Begründung: Die Schülerin sei trotz mehrmaliger Ermahnung zu freizügig gekleidet im Unterricht erschienen.
Gut für sie, war sie eine Frau und kein Mann, sonst wären die Wogen der Empörung tsunamimässig hochgeschwappt. Aber auch wenn sie billig davongekommen ist, so sind sich doch alle einig, dass Lehrer egal welchen Geschlechtes nichts im Ausschnitt ihrer Schülerinnen zu suchen haben, und schon gar nicht physisch. Optisch lässt es sich ja nicht immer vermeiden. Darum war das Ansinnen der Frau nachvollziehbar, wenn auch höchst ungeschickt vorgebacht. Zu salopp gekleidete Schülerinnen können den Unterricht tatsächlich stören.
Allerdings ist der Einfluss auf die Jungs dabei gar nicht der eigentliche Knackpunkt. In diesem Alter haben sie ohnehin einen Hormonlevel und die zugehörige besessene Fantasie, dass es für Ablenkung keiner Trägerleibchen bedarf. Dagegen kommt auch der weiteste Rollkragenpullover nicht an. Alles andere wäre Anlass zur Sorge. Nein, gestört vom üppigen Einblick sind vor allem die Lehrer.
Wer jetzt scharf Luft holt, gehört zu den Netten und Anständigen. Gratuliere, Sie sind selten. Ich erinnere mich sehr gut, wie wir schon in den weichgespülten Achtzigern wussten, wie man seinen Brustansatz wirksam einsetzt, zu Erheiterung oder Verwirrung. Je nach Bedarf. In der Pause haben wir Mädchen uns bucklig gelacht über den Deutschlehrer, der geschwollenes Zeug stammelte, wenn wir uns absichtlich zu weit vorüberbeugten, um ihm eine Frage an den Hals zu hauchen. Und wir stellten uns kichernd vor, wie nicht nur seine Sprache geschwollen auf unser Lolita-Getue reagierte. Empörend? Nö. Normal.
Wer die Macht seiner Wirkung entdeckt, will wissen, wie weit sie geht. Zumindest wenn er sich glückerweise noch nicht die Finger daran verbrannt hat und das Spiel nicht kippt. In unserem Fall war nur der Lehrer hilflos und vor allem harmlos. (Falls Sie zufällig jener Deutschlehrer sein sollten: Sorry!)
Das Thema ist aktuell geblieben und hat sich noch verschärft. Das erzählen mir zum einen junge Mädchen, aber auch bekannte Oberstufenlehrer. Für viele von ihnen sind die Frage der Körperlichkeit im Unterricht und der Generalverdacht der sexuellen Belästigung zu einem belastenden Faktor geworden. Dass eine verletzte Schülerin im Turnen deswegen sicherheitshalber liegengelassen wurde, habe ich zwar nie direkt gehört, vielleicht ist das bloss eine modernen Legende. Doch weit weg von der Realität ist das nicht.
Darum bin ich sehr wohl für einen Dresscode in Schulen. Und das eben nicht nur zum Schutz der Mädels vor Jungs, Lehrern und übler Nachrede. Auch nicht zum Schutz der Jungs vor Ablenkung der femininen Art. Sondern auch zum Schutz der Lehrer vor Beschuldigungen, die meist nicht zutreffen. Dazu muss die Kleiderordnung keineswegs sehr rigoros sein und die vielbefürchtete Rückkehr zum prüden Weltbid der Fünfziger mit sich bringen.
A propos Fünfziger: Meine Mutter hat uns jeweils zu unserem grossem Vergnügen erzählt, wie die Nonnen an ihrer Schule die Mädchen vor Schulaufführungen ganz vorn an den Bühnenrand treten liessen, um zu überprüfen, ob sie dabei unter die Röcke der Mädel linsen konnten. «Richtig Mühe gegeben haben sie sich. Dabei wollten die doch nur selber gucken», sagte meine Mutter dann und wir fanden es lustig. Seither hat sich die Situation längst gekehrt, sehen kann man – egal, ob man gucken mag oder nicht.
Und hier noch der Tipp für Mädels von einer Ex-Schülerin mit Freude am Provozieren: Zeigen, dass was da ist, ist super – zeigen was es ist, verschenkt.