Sachsenring. Ein in Motorsportkreisen nach wie vor wohlklingender Name ist der von Freddie Spencer. Wenngleich seine Hoch-Zeit im Motorradrennsport in der Mitte der 1980er-Jahre liegt, also in einer Zeit, in der die DDR-Rennfans selbst im tschechischen Brünn auf die Weltelite verzichten mussten. Dennoch waren sie über das WM-Geschehen und somit über Freddie Spencers Erfolge gut informiert. So gewann der damalige Wunderknabe aus den Vereinigten Staaten 1983 als 21-Jähriger die Halbliter-WM. Zwei Jahre später wurde er Doppelweltmeister, nachdem er die 250er- und 500er-Klasse dominiert hatte. Umso schöner war es dann, als der dreifache Weltmeister im Rahmen von Klassik-Veranstaltungen als Stargast dem Zschorlauer Dreieckrennen (2011) und der ADAC Sachsenring Classic (2016, 2017, 2018) seine Aufwartung machte. Heute jährt sich sein Geburtstag zum 60. Mal.
Schon Kindheit auf Bikes verbracht
Frederick Burdette Spencer wurde am 20. Dezember 1961 in Shreveport im US-Bundesstaat Louisiana geboren. Seit seinem sechsten Lebensjahr fuhr er Rennen, was er von seinem Vater Freddie Spencer Senior vererbt bekam. Auch sein älterer Bruder Danny war vom Rennsportbazillus befallen. Während dieser Kartrennen fuhr, bekam Klein-Freddie als erstes ein Mini-Motorrad, eine Briggs & Stratton. Noch im Kindesalter bestritt er an die 100 Rennen pro Jahr. Dirt Track (dreckige Piste) hieß das Zauberwort damals schon in den USA, was eine Mischung aus Motocross und Speedway ist. Hier lernt man, mit dem seitlich ausbrechenden Hinterrad zu lenken und dennoch ständig Vortrieb zu haben, eine Fähigkeit, die Freddie Spencer früh besaß und später mit den eigentlich unzähmbaren 500er-Biestern wie kein Zweiter zur Perfektion brachte. In Sachen Motorradbeherrschung trotz wilder Slides setzte das Wunderkind in der damaligen und einzig wahren Königsklasse neue Akzente. Seine Gewichtsverlagerung auf dem Bike und seine Linienwahl waren ungewöhnlich und unglaublich zugleich. So suchte er in den Trainings nicht nur nach der Ideallinie, sondern mit Hinblick auf die Rennen vor allem die ungewöhnlichen Linien, da man ja, um einen Gegner zu überholen, die versperrte Ideallinie verlassen muss. Zugute kam ihm dabei seine jahrelange Erfahrung beim Dirt-Track-Fahren, bei dem man mehrere kurze Rennen fährt und man sich dabei stets innerhalb kürzester Zeit auf die sich ständig wechselnden Streckenverhältnisse einstellen muss.
Rasanter Aufstieg
Freddie Spencer war ein bescheidener, eher verschlossener, streng gläubiger Südstaatler, der schon 1972 ein profiähnlicher Rennfahrer war. 83 von 90 Rennen gewann er in jenem Jahr, wodurch er Staatsmeister in Texas, Oklahoma, Arkansas, Mississippi und Louisiana wurde. 1974 brach die Renninfektion dann endgültig aus, als er als Zwölfjähriger erstmals bei einem richtigen Rennen als Zuschauer dabei war, beim 200-Meilen-Rennen von Daytona. Ein gewisser Giacomo Agostini gewann damals. Mit 16 Jahren wurde er dann bereits Profirennfahrer und kam erstmals mit dem Technik-Guru Erv Kanemoto, ein Amerikaner japanischer Abstammung, zusammen und gewann auf Anhieb den AMA- Novice-Titel. 1979 gewann er die AMA-Lightweight-Meisterschaft (250 ccm) und fuhr parallel dazu alles, was ihm hingestellt wurde. Egal ob die zierliche 250er-Rennmaschine, die schweren Viertakt-Sportbikes Ducati 900 SS und Kawasaki KZ 1000 mit Werksunterstützung, oder die superschnelle Yamaha TZ 750. Im Herbst des gleichen Jahres wurde er dann Teil der Honda-Familie und als Nachfolger von Mike Baldwin verpflichtet. Für 1980 unterzeichnete er schließlich einen Werksvertrag bei Honda Japan. Allerdings hatte Honda für die amerikanische Formel-1-Motorradrennserie kein konkurrenzfähiges Motorrad und erlaubte ihm, den prestigeträchtigen Saisonauftakt in Daytona, wo sich die Rennwelten von Europa und Amerika trafen, mit einer von Erv Kanemoto vorbereiteten Yamaha TZ 750 zu bestreiten. Nachdem "King" Kenny Roberts, zu dem Zeitpunkt zweifacher 500er-Weltmeister, ausgefallen war, eilte das Honda-Ass Spencer auf Yamaha dem Sieg entgegen, fiel aber, sicher nicht zum Unbehagen Hondas ebenfalls aus.
Zu Ostern 1980 war er dann neben Kenny Roberts und Randy Mamola Teil der US-Mannschaft bei der damals vielbeachteten sechs Rennen umfassenden anglo-amerikanischen Mini-Rennserie in Großbritannien. Barry Sheene, Ron Haslam und der Neuseeländer Graeme Crosby standen den Amis gegenüber. In Brands Hatch gewann Freddie Spencer beide Rennen und in Mallory Park wurde er Zweiter und Dritter. In Oulton Park stürzte er im zweiten Rennen, nachdem er das erste als Zweiter beendet hatte. Seine Visitenkarte hatte er dennoch abgegeben.
Zurück in den USA fuhr Freddie Spencer dann in der heimischen Meisterschaft, doch die Honda-Vierzylinder war leider nicht konkurrenzfähig, so dass er letztlich hinter Wes Cooley und Eddie Lawson nur Dritter wurde. Ebenfalls 1980 gab er im belgischen Zolder sein Grand-Prix-Debüt auf einer Yamaha TZ 500, fiel allerdings aus. Für 1981 bot ihm Honda an, in der US-amerikanischen AMA-Meisterschaft in verschiedenen Klassen Jagd auf den Titel zu machen. Freddie entschloss sich, mit dem GP-Zirkus noch etwas Zeit zu lassen und willigte ein. Beim Dirt Track war er mit der NS 750 den starken Harley-Davidson hoffnungslos unterlegen und auch bei den Superbikes und in der Formel-1-Klasse war er nicht wirklich konkurrenzfähig, wenngleich er ein paar Achtungszeichen setzen konnte.
Auch im Grand Prix schnell an der Spitze
1982 stieg er dann schließlich mit Honda und deren neuen NS 500 V3, der ersten Zweitaktrennmaschine von Honda, in die Grand-Prix-Szene ein. Im belgischen Spa-Francorchamps feierte er, begünstigt von Kenny Roberts geplatztem Hinterreifen, seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Gleichzeitig war es der erste GP-Sieg für Honda seit Ralph Bryans 1967 im japanischen Fisco in der 250er-Klasse generell bzw. in der Halbliterklasse seit Mike Hailwood im gleichen Jahr im kanadischen Mosport. Danach zog sich der weltgrößte Motorradhersteller für viele Jahre vom Motorradrennsport zurück. Während Freddie Spencer mit seinen gerade einmal 20 Jahren sehr wohl von Beginn an konkurrenzfähig war, er gewann zwei Monate später auch den Großen Preis von San Marino in Mugello, konnte man das von seinem Motorrad zunächst nur mit Abstrichen behaupten. Fünf Ausfälle sind zwar viel, aber für ein ehrgeiziges neues Projekt auch nicht abnormal. Zudem war die Honda NS 500 V3 ein ungewöhnliches, aber mit ihrem 90-Grad-V3-Motor und dem kurzen Radstand ein sehr innovatives Bike. Was an Motorleistung zunächst fehlte, konnte Freddie mit dem guten Handling teilweise wettmachen. Lediglich an der Standfestigkeit haperte es noch. Doch auch das sollten die Honda-Techniker in den Griff bekommen. Hinzu kamen zwei Verletzungen von Freddie Spencer, die ihn noch Jahre später beschäftigen sollten. In Assen stürzte er im Regen und brach sich dabei den Daumen, was erst später diagnostiziert wurde. Auf eine sinnvolle Operation verzichtete er allerdings. Beim Finale in Hockenheim stürzte er beim Kampf um den Sieg mit Randy Mamola und einer Berührung mit dem als Weltmeister bereits feststehenden Franco Uncini. Dabei brach er sich das Schlüsselbein zum ersten Mal. Endrang zwei hatte er so zwar noch verloren, doch Platz drei in seiner ersten vollen GP-Saison konnte sich ebenfalls sehen lassen.
Jüngster 500er-Weltmeister
Im darauffolgenden Jahr 1983 kam Honda mit der verbesserten MK2-Version der NS 500. Auch sonst ließen die Japaner diesmal nichts unversucht. So umfasste deren Tross fallweise an die 60 Personen. Mit dem nun dreifachen Weltmeister Kenny Roberts lieferte er sich ein Duell auf Augenhöhe. Kein anderer Fahrer konnte den beiden das Wasser reichen, geschweige einen Grand Prix gewinnen. Am Ende stand es nach Siegen sechs zu sechs, wobei Freddie Spencer im letzten Saisonrennen taktieren konnte und mit Platz zwei hinter seinem Erzrivalen zwei Punkte Vorsprung rettete und damit seinen ersten WM-Titel gewann. Mit 21 Jahren wurde er der jüngste Weltmeister der Geschichte in der 500er-Klasse.1984 musste er mit der brandneuen Honda NSR 500 V4 ein paar Rückschläge einstecken. So war er beim Saisonauftakt nach einem Trainingssturz in Folge einer gebrochenen Felge nicht am Start. Auch bei der transatlantischen Serie zu Ostern in Großbritannien stürzte er und zog sich dabei Knochenbrüche im Fuß zu. Einige WM-Läufe musste er so auslassen. Auch bei einem nicht zur WM zählenden Rennen in Laguna Seca ging er zu Boden und brach sich das schon in Hockenheim malträtierte Schlüsselbein erneut. Zwischendurch kam er immer mal wieder in den Continental Circus und gewann dann meist, was ihm letztlich wenigstens den vierten Endrang einbrachte.1985 kam er weitgehend genesen zurück über den großen Teich und nahm zunächst die Doppelbelastung und später die Doppelherausforderung mit Starts in der 500er- und parallel dazu in der 250er-Klasse an. Ursprünglich war das gar nicht geplant, aber schon beim Vorsaisonrennen wie auch mit Fortdauer der Saison fand der inzwischen in Europa "Fast Freddie" getaufte Spencer Gefallen an der Honda RS 250 RW. Die Viertelliterklasse war dabei noch härter umkämpft als die 500er-Kategorie, standen doch hier nicht selten ein Dutzend siegfähiger Fahrer am Start. In den Anfangsjahren bis Mitte der 1970er-Jahre waren Doppelstarts keine Seltenheit, sogar drei Rennen pro Tag wurden gefahren. 14 Siege, sieben in jeder Klasse, davon vier Doppelsiege, fuhr er in den neuen Rothmans-Lackierungen ein und war am Ende Doppelweltmeister. Dennoch nahm die Saison ein schlechtes Ende, denn bei einem nicht zur WM zählenden Rennen in Japan zog er sich erneut eine schwere Daumenverletzung zu.
Abschied auf Raten
Von da an begann seine Zeit des Leidens und er wurde nie mehr der alte. Beim Saisonauftakt 1986 im spanischen Jarama gab er, in Führung liegend, auf und setzte mit Tendinitis (chronische Sehnenentzündung) im rechten Handgelenk für den Rest der Saison aus. 1987 wollte er wieder angreifen, doch das Pech blieb ihm treu. Vorm eigentlichen Saisonstart war in Daytona ein Konkurrent vor ihm gestürzt, Freddie ging ebenfalls zu Boden und brach sich dabei das nie richtig verheilte Schlüsselbein sowie das Schulterblatt. Bei seinem Comeback-Versuch in Hockenheim verletzte er sich durch seinen eigenen Knieschutz am Knie und fiel erneut aus. Ein siebenter Platz in Anderstorp war für ihn das einzig Zählbare in jenem Jahr. 1989 kam er noch einmal in einem Spitzenteam (Agostini Marlboro Yamaha) unter, doch von seinem einstigen Glanz war nichts mehr übrig geblieben. Ein fünfter Platz im spanischen Jerez war sein bestes Saisonresultat. Am Ende wurde er auf WM-Rang 16 geführt. Nach einem Intermezzo in den USA unternahm er 1993 in der WM einen weiteren halbseidenen Comeback-Versuch mit einer kaum konkurrenzfähigen ROC-Yamaha, der allerdings ebenfalls ungebührend scheiterte. Neben der Rennerei hatte Freddie Spencer in den 1980er-Jahren als Grundstücksspekulant gearbeitet und auch dabei ein kleines Vermögen erwirtschaftet. Dieses brachte aber seine Ehefrau, eine ehemalige Miss Louisiana, mit ihrer Spielsucht durch, so dass Freddie Spencer am Rand des Ruins stand. Später und inzwischen befindet sich sein Leben wieder in geordneten Bahnen. So betrieb er zu Hause eine Riding School, tingelte als Stargast bei Klassik-Veranstaltungen durch Europa und schwang sich sogar wieder in den Sattel von Dirt-Track-Maschinen. "Back to the roots" sozusagen. Seit 2019 arbeitet Freddie Spencer regelmäßig bei den MotoGP als Race Steward in der Rennleitung.