Mit seiner cleveren 90er-Vampir-Serie „Buffy“ wurde Joss Whedon zum Liebling vieler Fans. Die Serie bot spannende Genre-Unterhaltung, im doppelten Sinne bissige Dialoge und stellte das Klischee der blonden, hübschen Frau auf den Kopf, die in Horror-Filmen häufig das Opfer ist, bei „Buffy“ aber die taffe und dennoch verletzliche Heldin. Als Regisseur der sehr erfolgreichen Marvel-Blockbuster „Avengers“ und „Avengers 2: Age Of Ultron“ war Whedon dann auf dem Höhepunkt seiner Karriere, es folgte seine Verpflichtung beim DC-Spektakel „Justice League“, wo er die Regie nach dem Abgang von Zack Snyder übernahm – bald darauf aber lag seine Karriere in Trümmern.
Die Vorwürfe gegen WhedonBereits 2017 veröffentlichte Joss Whedons Ex-Frau Kai Cole einen offenen Brief, in dem sie ihn als „Scheinheiligen“ bezeichnete, der „feministische Ideale predigt“, sie aber während ihrer Ehe mehrfach betrogen habe. Ray Fisher, der als Cyborg nur noch eine kleine Rolle in Whedons Version von „Justice League“ hat, bezeichnete 2020 das Verhalten des Regisseurs am Set des DC-Films öffentlich als „abstoßend, beleidigend, unprofessionell und komplett inakzeptabel.“ Dieses Verhalten sei von den Produzenten Geoff Johns und Jon Berg ermöglicht worden, so ein weiterer Vorwurf.
Andere Stars unterstützten Fisher. „Wonder Woman“-Schauspielerin Gal Gadot etwa warf Whedon vor, am Set damit gedroht zu haben, ihre Karriere zu zerstören.
Im Zuge dieser Vorwürfe meldeten sich auch „Buffy“-Stars zu Wort. Demnach habe Whedon bereits als Showrunner bei „Buffy“ und „Angel“ mit seinem Verhalten für eine mitunter sehr unangenehme Atmosphäre gesorgt und außerdem mehrere sexuelle Beziehungen mit Mitarbeiterinnen geführt, die beruflich von ihm abhängig waren. Für einen umfangreichen Artikel bei Vulture hat Joss Whedon nun sein langes Schweigen gebrochen und sich erstmals zu den Vorwürfen geäußert, die er im Wesentlichen abstreitet.
So reagiert Joss Whedon auf Ray Fishers VorwürfeDer Regisseur führt zwei Gründe an, warum Ray Fishers Part in der Kinofassung von „Justice League“ so klein ausfällt, verglichen mit der 2021 veröffentlichten, deutlich längeren Version „Zack Snyders Justice League“. Einerseits habe Cyborgs Plot „keinen Sinn ergeben“, andererseits sei Fishers schauspielerische Leistung zu schlecht gewesen. Wie Vulture von einer der Produktion nahestehenden Quelle erfuhr, sei Whedon in seiner Ansicht insofern gestützt worden, dass Cyborg in Vorführungen vor Testpublikum durchgefallen sein soll.
Jedenfalls aber besteht Whedon darauf, dass er mit Fisher am Set stets ausführlich und freundlich über alle Änderungen diskutiert habe. Keiner der in Medien von Ray Fisher erhobenen Vorwürfe sei „wahr oder verdient eine Diskussion“. „Wir sprechen von einem schlechten Schauspieler in beiden Bedeutungen des Wortes“, teilt Whedon gegen Fisher aus. Er nutzt im Originalzitat die Bezeichnung „bad actor“, die doppeldeutig ist und auch eine Person mit bösen Absichten beschreiben kann.
Auch verwehrt sich Whedon in diesem Zusammenhang gegen den Vorwurf von Fisher, er habe den Farbton von „Justice League“ heller gemacht, weil ihm die dunkle Hautfarbe von Fisher nicht gefallen habe. Die Entscheidung, den ganzen Film aufzuhellen, habe nichts mit Fisher zu tun gehabt, der Rassismusvorwurf greife demnach nicht.
Auf Twitter kündigte Ray Fisher in Reaktion auf den Vulture-Artikel an, dass „die Arbeit morgen weitergeht“. Im Zusammenhang mit dem Artikel schreibt Fisher von „Lügen“ und „Clownerie“.
So reagiert Joss Whedon auf Gal Gadots Vorwürfe„Ich bedrohe keine Menschen. Wer macht sowas?“, kommentiert Joss Whedon den Vorwurf von Gal Gadot. Er vermutet, dass sie ihn am Set schlicht falsch verstanden habe. „Englisch ist nicht ihre Muttersprache, und ich neige dazu, mich nervig blumig auszudrücken“, meint Whedon. Er erinnert sich an eine Diskussion über eine Szene, die Gadot demnach nicht im Film haben wollte, er aber schon. Whedon habe aus Witz gesagt, dass sie ihn an Bahngleise ketten und die Szene über seine Leiche entfernen müsse – woraufhin man ihm gesagt habe, Gadot habe verstanden, dass es um ihren toten Körper gegangen sei und darum, sie an die Gleise zu ketten.
Ein Missverständnis also? Gegenüber Vulture jedenfalls dementierte Gal Gadot die Darstellung von Whedon direkt wieder. „Ich habe ihn perfekt verstanden“, sagt die israelische Schauspielerin.
Nach Whedons erstmaliger Stellungnahme stehen nun unterschiedliche Aussagen im Raum. Eine Klärung ist nicht in Sicht. Gleichwohl gibt sich der Regisseur und Autor, der nach seinem Ausstieg bei der HBO-Fantasy-Serie „The Nevers“ an keinem weiteren Projekt mehr gearbeitet hat, auch selbstkritisch – zumindest ein wenig. Es lohnt sich, den ganzen Vulture-Artikel zu lesen, den wir hier nur in Auszügen wiedergeben können.
Am Ende sagt Whedon: „Hätte ich meine Ehe besser führen können? Auf jeden Fall. Hätte ich ein besserer Showrunner sein können? Absolut. Hätte ich netter sein sollen?“ Zumindest ruhiger und direkter hätte er sich verhalten können, denkt Whedon heute. Womöglich sei er aber insgesamt zu nett gewesen, sodass seine Direktheit harsch rüberkam, wann immer er sie mal einsetzte. Jedenfalls hätten Leute nun „jedes Wort der modernen Ära, das sich in eine Waffe verwandeln lässt, eingesetzt, um den Eindruck zu erwecken, er sei ein missbrauchendes Monster“. „Ich denke, ich gehöre zu den netteren Showrunnern“.