Die bundesweite Sieben-Tages-Inzidenz sinkt weiter. Seit heute liegt kein Bundesland mehr über dem Inzidenz-Wert 1.000. Anlass für Optimismus? Oder liegen die Zahlen in Wirklichkeit höher?
Vor einer Woche lag der bundesweite Corona-Inzidenzwert noch bei fast 430 - am Dienstag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) fast schon entspannte Werte. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche lag demnach bei 375.
Falls sich der positive Trend fortsetzt, könnte sogar ein relativ unbeschwertes Weihnachtsfestim Kreis der Familie möglich sein - wenn alle getestet, genesen, geimpft und möglichst auch schon geboostert sind. Zumindest gilt das für Nordrhein-Westfalen, wo am Dienstag die landesweite Inzidenz auf rund 268 sank. In einigen Regionen von NRW sieht es noch besser aus: zum Beispiel in Münster mit rund 139.
Doch es bleiben letzte Zweifel: Wie nah sind die offiziellen Corona-Zahlen an der Realität? Und wie verlässlich ist die gemeldete Hospitalisierungs-Inzidenz, anhand derer über Lockerungen oder Verschärfungen der Corona-Regeln entschieden wird?
Wie verlässlich ist die Sieben-Tages-Inzidenz?
Auch wenn sich die Hinweise auf einen positiven Trend Tag für Tag verdichten: Experten gehen davon aus, dass schon seit Wochen sehr viele Corona-Infektionen nur mit deutlicher Verspätung an das RKI gemeldet werden. Wie groß die Lücke tatsächlich ist, lässt sich zurzeit nicht genau beziffern.
Die Zahlen des RKI seien oft nicht vollständig, meint auch Immunologe Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover. "", sagte Förster am Sonntag der "Aktuellen Stunde" im WDR-Fernsehen.
Der Grund: Viele Gesundheitsämter sind nach wie vor überlastet und geben die Meldungen der Neuinfektionen nur mit Verspätung weiter. Das Gleiche gelte für die Krankenhäuser, die mit der Betreuung der Patienten zurzeit so beschäftigt sind, dass die Dokumentation darunter leidet. Hinzu kommt, dass vielerorts Labore überlastet sind, die für die Auswertung von Corona-Tests verantwortlich sind.
Wie unzuverlässig auch regionale Fallzahlen sein können, zeigt sich am Beispiel Köln. Am 8. Dezember lag die offizielle Inzidenz bei maßvollen 391,1. Wenige Tage später musste der Wert auf 569,4 korrigiert werden.
Wann liefern die Gesundheitsämter wieder völlig zuverlässige Zahlen?
Das ist noch unklar, aber die Übertragung verbessert sich offenbar. Die Gesundheitsämter in Deutschland holen zumindest laut der Verbandschefin der Amtsärzte langsam auf. "", sagte die Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, am Dienstag.
In vielen Ämtern werde das Personal nun nur noch dafür eingesetzt, eingehende Infektionsmeldungen zu bearbeiten, dafür gebe es weniger Kontaktnachverfolgung. Auch die Unterstützung durch Bundeswehrsoldaten habe geholfen.
Und wie sieht es bei der Hospitalisierungs-Inzidenz aus?
Seit November gilt sie als wichtigster Wert für politische Entscheidungsträger in der Pandemie: die Hospitalisierungs-Inzidenz. Sie besagt, wie viele Covid-Patienten pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten sieben Tage ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Das Problem: Die überlasteten Krankenhäuser melden die Neuzugänge oft mit großer Verspätung. Die tagesaktuelle Hospitalisierungs-Inzidenz muss regelmäßig nachträglich nach oben korrigiert werden.
Das RKI kennt das Problem und veröffentlicht daher zusätzlich zu der offiziellen Hospitalisierungs-Inzidenz eine Schätzung, in der die erwartete Zahl der Nachmeldungen bereits eingerechnet ist. Die Unterschiede zwischen den Zahlen können sehr deutlich ausfallen: Am 6. Dezember lag der aktuell gemeldete Wert zum Beispiel bei 5,32. Bis Sonntag musste dieser Wert bereits auf 7,97 korrigiert werden. Die wahre Zahl könnte nach der Schätzung des RKI aber sehr viel höher liegen: bei 11,96.
Wie sind die weiteren Aussichten?
Christian Karagiannidis
Auch wenn sich der positive Trend bei den Neuinfektionen in den kommenden Tagen und Wochen anhält: Die Auswirkungen der vierten Welle werden das Gesundheitssystem noch sehr lange unter Druck setzen. Schon jetzt seien die Intensivstationen am Limit, warnt Christian Karagiannidis von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Die neuen Statistiken zeigen zwar, dass sich aktuell auch die Zahl der neuen Covid-Patienten auf den Intensivstationen etwas stabilisiert hat.
Welche Auswirkungen eine bald befürchtete weitere Verbreitung der Omikron-Variante haben könnte, ist noch völlig unklar.