In Berlin hat ein Wirt das traditionelle Oktoberfest gestartet, mit Einlass nur für Geimpfte. Daraufhin hagelte es Kritik – doch zum Start ist vor Ort wenig davon zu spüren.
"Ein Prosit der Gemütlichkeit", spielte die Band "Edelweiß Express" immer wieder. Gemütlich beisammen sein, schunkeln und tanzen – mit Maske und Abstandhalten kaum vorstellbar. Aber in der Fischerhütte am Schlachtensee hat man Vorkehrungen getroffen: Hier begann am Freitag das Oktoberfest.
Einlass gibt es hier nur für Geimpfte, streng nach 1G. Als Gastwirt Josef Laggner das vor ein paar Wochen angekündigt hatte, erntete er einen Shitstorm mit Hassnachrichten: "Zum Glück gibt es andere Gastronomen, die nicht so radikal nach links abtauchen", kritisierte jemand bei Facebook. "Hoffentlich geht ihr pleite!", schrieb einer.
Josef Laggner (Archivbild): Der Gastwirt hat eine Menge Kritik geerntet. (Quelle: Olaf Wagner/imago images)
Vor Beginn des Festes wurde offenbar die Homepage der Fischerhütte gehackt. Am Freitag führte ein Google-Link statt zum Restaurant auf einen Webshop, in dem T-Shirts mit Anti-Impf-Sprüchen wie "Impfen? Nein danke!" vertrieben werden. An anderer Stelle war im Netz die Falschmeldung aufgetaucht, das Oktoberfest falle aus.
Doch um 19 Uhr ging es am Freitag wie geplant los. Wirt Laggner erwartete 250 Leute, auch fürs nächste Wochenende gibt es schon viele Vorbestellungen.
Laggner zufrieden: "Wir wollten jetzt ein Zeichen setzen"
"Es nervt mich, dass wir mit dem Impfen nicht weiterkommen", erklärte der gebürtige Österreicher, der mehrere Restaurants in der Hauptstadt betreibt. "Die Impfquote hat sich in der letzten Woche um einen Punkt hinter dem Komma erhöht. Wie lange brauchen wir da, bis wir unsere 70, 80 Prozent haben? Da sind wir nächstes Jahr im August noch dabei!"
Das Oktoberfest feiern sie seit 18 Jahren. Letztes Jahr musste es ausfallen. Nach den langen Monaten der Pandemie ist dieses nun ein besonderes. "Wir wollten jetzt ein Zeichen setzen!"
Klar könne er auch die Impfgegner verstehen. Es seien bei den Maßnahmen, die die Regierung beschlossen hat, zu viele Fehler begangen worden, wie Laggner erklärt. Zu viel Hin und Her. "Es ist auch Jedermanns Recht, sich nicht impfen zu lassen." Es gibt aber auch noch jene, die unentschlossen sind. "Die müssen noch bewegt werden, dass sie zum Impfen gehen."
"Alle Geimpfte haben es verdient, wieder feiern zu können"
Dass es Leute gibt, die die 1G-Regel ablehnen, hat er vorher gewusst. Doch er hat sich die Frage gestellt: "Schade ich damit meinem Unternehmen?" Seiner Meinung nach nicht. Seine Mitarbeiter haben sich die Schmähkommentare im Netz etwas genauer anschaut. Dort schrieben Leute aus Aachen, Augsburg oder Hamburg: "Wir werden die Fischerhütte nie mehr besuchen!" Den Wirt interessiert dabei: "Wer ist von denen überhaupt schon mal hier gewesen?“
Über mangelndes Interesse kann er sich an diesem Freitag jedenfalls nicht beschweren. Der Laden brummt. Masken tragen nur die Kellner. "Alle Geimpften haben es sich verdient, wieder feiern zu können", sagt einer der Besucher. "Ich find’s gut, dass der Laggner 1G macht. So bringt er ja auch noch Leute dazu, sich impfen zu lassen."
Gäste in der Hütte: "Es wird ja keiner gezwungen"
Drei Freundinnen aus Brandenburg sind schon zum fünften oder sechsten Mal beim Oktoberfest. "Wir haben uns gefreut wie kleine Götter, dass es wieder stattfindet", sagt Heike. "Ich könnte aber auch mit 2G leben, auch mit 3G." Ihre Freundin Beate hat Verständnis für die Einlasspolitik. "Der Laggner ist Unternehmer, der legt das für sich fest. Und dann ist das eben so. Es wird ja keiner gezwungen, herzukommen."
Vera sagt, sie vermisse ein bisschen die Solidargemeinschaft. "Wir haben gar kein Problem mit Leuten, die sich nicht impfen lassen wollen. Die gibt es auch bei uns im Freundeskreis. Aber dann können wir eben nicht zusammen hierhergehen." Es würde sie gar nicht stören, wenn auch Ungeimpfte mitfeiern würden, sagt Heike, "aber bei Maskenpflicht und Tanzverbot wären wir nicht hergekommen."
Auch andere Besucher bedauern, dass ihre ungeimpften Freunde nicht mitkommen und feiern können. Die Berlinerin Natalie meint: "Ich würde auch mit Leuten tanzen und schunkeln, wenn sie getestet sind. Man hat so oft mit Leuten engen Kontakt, in der Bahn zum Beispiel. Da weißt du gar nichts über sie."
Die Brandenburgerin Claudia sagt: "Ich bin froh, dass ich überhaupt wieder ein Stück Freiheit haben kann – ohne Schranke im Kopf. Ich will nicht drüber nachdenken: Kann ich den jetzt drücken oder nicht?" Auch Patrick aus Brandenburg genießt den Abend. "Es fühlt sich an wie vor Corona. Man kann alles ohne Maske machen."
Musiker aus Bayern: Zum Feiern in die Hauptstadt
Anna ist Sängerin aus Berlin und tritt schon länger mit den Herren vom Edelweiß Express beim Oktoberfest in der Fischerhütte auf. "Ich freue mich, dass die Leute ausgelassen feiern. Wenn es durch 1G kommt, ist das für mich okay. Ich glaube, es ginge aber auch mit 3G. Nur dann vielleicht mit mehr Abstand."
Anna und Roland: Die beiden treten mit ihrer Band regelmäßig in der Fischerhütte auf. (Quelle: Kriss Rudolphs)
Roland spielt Keyboard in der Band. Er kommt aus Bayern, wo man wegen Corona auch dieses Jahr wieder das große traditionelle Oktoberfest abgesagt hat. Dass es in Berlin mit 1G geht, und die Gäste unbeschwert feiern, das freut ihn.
"Bei 2G oder 3G wären die Leute vielleicht auch verunsichert oder sie kämen gar nicht erst", glaubt der Franke. Er kommt jetzt für drei Wochenenden hierher und spielt mit den anderen Künstlern Schlagermusik und Partyhits. Zwischendurch fährt er immer wieder nach Hause, um sich vom Feiern in der Hauptstadt zu erholen.
Die Aufregung um 1G gebe es gar nicht, wenn sich genügend Leute impfen lassen würden, sagt Wirt Laggner noch. "Mir kann keiner sagen, er hätte keine Gelegenheit oder es gebe keinen Impfstoff. Das ist alles Humbug!"