Für den Technologiekonzern Sony mit eigenen Studios in Hollywood lohnt sich der Verzicht aufs Streaming. Wie Spider-Man und Co dennoch viel Geld einspielen - auch im Streamingbusiness. Von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Es war ein sensationeller Start in Amerikas Kinos, auch während Corona: Sonys Kinofilm "Spider-Man: No Way Home" spielte an seinem ersten Tag in Nordamerikas Kinos 121,4 Millionen Dollar ein und schaffte in dem bei Kinobesuchern beliebten Dezember den besten Start aller Zeiten. Über alle Monate betrachtet ist es das zweiterfolgreichste Filmdebüt in Nordamerika nach Disneys Marvel-Blockbuster "Avengers: Endgame", der im April 2019 an seinem ersten Tag 357 Millionen Dollar einspielte.
Weltweit brachte der Spinnenmann in seinen ersten zwei Wochen in den Kinos über eine Milliarde Dollar ein und ist damit der erfolgreichste Film 2021. Besonders freut sich Amerikas Kinobranche, die von den Auswirkungen der Pandemie - wie überall auf der Welt - weiterhin stark getroffen wird. Für 2021 erwartet die Branche nach Angaben des US-Börsendiensts Bloomberg vier Milliarden Dollar Erlös aus Ticketverkäufen. Das ist jedoch nur ein Bruchteil der 11,4 Milliarden Dollar, die 2019 in die Kassen der Großleinwandbetreiber geflossen sind.
Verzicht auf Streamingdienst
Japans Technologieriese Sony, der mit seinen Sony Pictures Studios auch in Hollywood präsent ist, setzt unverändert auf das Kino. Er widersteht damit der Versuchung, sich mit einem eigenen Streamingdienst in das große, inzwischen an den Margen zehrende Getümmel von Medienriesen wie Disney, Amazon und "Game of Thrones"- Entwickler HBO zu stürzen. Stattdessen versucht Sony, die Rivalität der Streaminganbieter gewinnbringend zu nutzen: "Keiner von ihnen will mit seinen Wettbewerbern verhandeln, dafür aber alle mit uns", sagt Tom Rothman, Chef von Sonys Pictures.
Alles für Ihr Kapital!
€uro-Leser wissen mehr: Was die Märkte bewegt, welche Investmentideen Erfolg versprechen und wie sie bares Geld sparen.
Zu unseren AngebotenDie Gebühren für das spätere Streaming eines Films werden in der Regel anhand seines Erfolgs in den Kinos berechnet. So kämpfen Spider-Man und Sonys andere Helden auf der großen Leinwand auch für den späteren Streamingerfolg des japanischen Konzerns. Das Netz dafür knüpfte Sonys Spartenchef Rothman schon im Frühjahr, als er große Deals mit Netflix und Disney schloss. So hat Netflix das Vorrecht erworben, für alle neuen Episoden von Spider-Man und alle Filme, die Sony Entertainment bis einschließlich 2026 produzieren wird, zu entscheiden, ob sie nach ihrer Zeit in den Kinos zunächst exklusiv bei Netflix ausgestrahlt werden.
Nach dem Ablauf dieser Exklusivität kann auch US-Medienriese Walt Disney die Filme der Japaner auf all seinen Kanälen zeigen. Experten schätzten den Wert der beiden mehrjährigen Vereinbarungen auf über drei Milliarden Dollar. Auch für Serien verhandelt Sony Streamingdeals mit HBO und Netflix.
Weil Sony eigene Filmstudios besitzt, sollte sich die originelle Strategie des Konzerns im Streamingbusiness zumindest in den nächsten vier Jahren bezahlt machen, schätzen Analysten. Erst danach könnte es sein, dass Netflix, Disney und Co mit ihren Abos ausreichend Reserven erwirtschaftet haben, um weitgehend mit eigenen Filmen und Serien Geld zu verdienen.
Rekordgewinn in Sicht
Auch insgesamt ist Sony im Geschäftsjahr bis Ende März 2022 auf einem guten Weg, beim operativen Gewinn zum zweiten Mal in Folge einen Rekord einzufahren - trotz der hartnäckigen Chiplieferengpässe für seine weltweit begehrte Spielkonsole Playstation 5 (PS5). Bei umgerechnet 74,5 Milliarden Euro Umsatz, gut zwei Prozent mehr als im Vorjahr, erwarten Analysten im Schnitt 12,8 Milliarden Euro operativen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda). Das wäre ein bemerkenswertes Plus von 23 Prozent.
Hardware wie Flachbildfernseher, Kameras und Spielkonsolen lieferten 52 Prozent des Umsatzes, Chips für Kameras und Smartphones - hier ist Sony weltweit führend - knapp elf Prozent. Der Bereich Unterhaltung mit Filmen und Videospielen ist mit einem Anteil von knapp 19 Prozent beteiligt.
Das bei Gamern beliebte Spiel "Unchartered" (zu deutsch: "unerforscht") hat Sony in Starbesetzung verfilmt und will es am 20. Februar weltweit in die Kinos bringen. Insgesamt arbeite man derzeit an zehn Projekten für Filme und Serien, die auf Computerspiele zurückgehen, so der Konzern.
Bei der PS5-Konsole haben die Japaner wegen des Chipmangels ihr Produktionsziel für das Geschäftsjahr von zuvor 16 auf 15 Millionen Geräte gesenkt. Die Popularität der hauseigenen Spieleplattform schmälert das jedoch nicht. Ende September nutzten weltweit 47,2 Millionen Gamer Sonys PS-Plus-Abo für den Zugang zum Mehrspielermodus neuer Spiele. Sonys Cloud-Abo PS Now für ältere Games zu den gleichen Konditionen wie bei PS Plus hatten Ende März 3,2 Millionen. Im neuen Geschäftsjahr sollen die Dienste zusammengeführt werden.
Cloud-Gaming ist noch ein kleiner Markt. Für 2030 erwarten Experten des US-Börsendiensts Bloomberg jedoch über elf Milliarden Dollar Umsatz mit Videospielen in der Datenwolke.
Vorsprung durch Technik
Was den Technologiekonzern von seinen Konkurrenten unterscheidet, ist die Zusammenführung von Fachwissen über Sensoren, Kameras, Bildschirmtechnologie und Software, die auf die speziellen Anforderungen bei Computerspielen, Film sowie Musik abgestimmt sind.
So zählte zu den Neuerungen, die Sony jüngst präsentierte, auch ein System mit hoher Auflösung in jedem Bereich, um Filme unabhängig von Wetter, Ort und anderen Faktoren drehen zu können. Für die virtuelle Kulisse und das Geschehen im Hintergrund in Echtzeit gibt es einen extragroßen LED-Bildschirm. Kameras nehmen die Kulisse, die Objekte und die Schauspieler auf, während Sonys Technologie Kulisse und Vordergrund verbindet.
Weiterentwickelt haben die Japaner auch ihre Hawk-Eye- Technologie. Bei Tennis- oder Fußballspielen messen die in den Stadien installierten Kameras bisher Begrenzungslinien aus, um Schiedsrichterentscheidungen zu unterstützen. Künftig soll mit den während der Spiele gesammelten Daten auch eine Spielanalyse möglich sein, die etwa hilft, das Training und die Strategie eines Teams oder einzelner Spieler zu verbessern.
In Sonys neuer Brille für virtuelle Realität in Computerspielen liefern Micro-LEDs für eine realitätsnahe Darstellung des Geschehens bis zu 8K-Auflösung. Die Brillendisplays erweitern das Sichtfeld der Nutzer.
Für Distanzmessungen via Laser, etwa beim autonomen Fahren, hat Sony SPAD-(Single-Photon-Avalanche-Diodes-)Sensoren im Portfolio. Mit Software für Algorithmen künstlicher Intelligenz sollen die Sensoren auch für die Automatisierung in der industriellen Fertigung eingesetzt werden. So treibt Sony Digitalisierung auch außerhalb seiner bisherigen Märkte an.
Robust: Die Gewinnmitnahmen im Tech-Sektor steckt Sony gut weg. Die Aktie notiert weiterhin nahe ihrem 20-Jahres-Hoch.Empfehlung: KaufenKursziel: 130,00 EuroStoppkurs: 80,00 Euro