Wer hat die OMR Redaktion in den vergangenen Monaten besonders beeindruckt? Die Lösung findet ihr hier in der neuen Ausgabe von „OMR 50 – das Ranking powered by Gerolsteiner“. Wie jedes Jahr haben wie die 50 Personen und Teams versammelt, deren Schaffen in Marketing, Medien, Digital-Wirtschaft und Aufmerksamkeits-Ökonomie herausstechen.
Dazu der Hinweis, der fast schon so zur Tradition geworden ist wie die Liste selbst: Wir haben für OMR 50 natürlich lange recherchiert und intern diskutiert. Trotzdem bleibt das ganze eine subjektive Auswahl und sollte eher als ein Stück Infotainment verstanden werden denn als knallhartes Ranking. Auch in diesem Jahr haben wir wieder versucht, eine gute Mischung aus Branchenpromis, Hidden Champions, Digitalstars und beachtenswerten Kuriositäten zu finden. Einige davon werden wir auch auf dem OMR Festival im kommenden Jahr wiedersehen, das für den 17. und 18. Mai fest geplant ist.
„Wir freuen uns als Partner von OMR auch in diesem Jahr wieder die OMR-Top-50 zu supporten“, sagt Marcus Macioszek, Marketingleiter bei Gerolsteiner. „Es ist immer wieder erstaunlich, was für interessante Köpfe sich hervortun.“ Doch jetzt erst einmal viel Spaß beim (wieder)entdecken der spannendsten Köpfe der Branche.
Pamela Reif (Foto: Pamela Reif auf Instagram)
1. Pamela Reif, Influencerin und Unternehmerin
Wenn man bei Vertreter:innen der deutschen Gründerszene nachfragen würde, auf den der Steckbrief „erfolgreiche deutsche Einzelunternehmerin, die erst Mitte 20, aber mutmaßlich schon Multimillionärin ist“ zutreffen könnte – vermutlich würde nur wenigen der Name Pamela Reif einfallen. Als Fitness Instagrammerin ist die 25-Jähriger aus Karlsruhe durchaus sehr bekannt. Doch in Deutschland werden Creator:innen als Unternehmer:innen offenbar noch unterschätzt – zu unrecht, wie Reif beweist.
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Zum besseren Verständnis erst ein Blick zurück: In den vergangenen anderthalb Jahren ist Reif in Sachen Reichweite und Bekanntheit in ganze neue, internationale Sphären vorgedrungen. Vor allem, weil sie zu Beginn der Corona-Krise für sich die Gunst der Stunde erkannt hat. Als ein großer Teil der Menschheit im Lockdown zu Hause ist, verstärkt die Fitness-Influencerin ihre Aktivitäten auf einer Plattform, auf der sie bis dahin nur unregelmäßig aktiv war: Youtube. Anfangs streamt sie Workout Sessions für alle, die sich zu Hause fit halten wollen. Als sie merkt, wie gut das ankommt, lädt sie von da an mindestens ein Video pro Woche auf Youtube hoch. Die heißen dann beispielsweise „10 Minute Ab Workout“, „15 Minute Booty Workout“ oder „20 Minute Full Body Workout – Beginner Version“ – und greifen damit das zu diesem Zeitpunkt durch die Decke gehende Suchvolumen nach Workout-Tutorials ab.
Youtube-Views knacken die Milliarden-Grenze
Das Ergebnis: Reifs vergleichsweise hochwertig produzierten Videos werden millionenfach abgerufen; die Zahl der Abonnenten ihres Youtube-Kanal steigt von 1,63 auf aktuell über acht Millionen. Vor der Pandemie hatte der Kanal noch 120 Millionen Views verzeichnet; seitdem haben sich die Abrufzahlen auf mehr als 1,23 Milliarden verzehnfacht. Google listet ihr Video “10 Min Ab Beginner Workout” (aktuell knapp 65 Millionen Aufrufe) in den Top 10 Youtube Videos des Jahres 2020 auf.
Weil sie schon lange den Großteil ihres Contents auf Englisch postet, gelingt es ihr auch, Follower aus dem Ausland an sich zu binden: Dreiviertel ihrer Youtube-Zuschauer:innen kommen aus dem Ausland, beispielsweise aus den USA, Großbritannien, Italien und Frankreich.
Ausverkaufte „Naturally Pam“-Regale
Ihre Reichweitenexplosion auf Youtube strahlt auch auf ihre einstige Hauptplattform Instagram ab. Dort steigt von Februar 2020 bis heute die (schon zuvor beeindruckende) Zahl ihrer Follower von 4,6 auf mittlerweile 8,2 Millionen. Auf ihrem Instagram Account informiert sie ihre bestehenden und neuen Follower nicht nur auf neue Youtube-Videos, sondern teilt sie zu Anfang der Pandemie Workout-Pläne; auf dem Account “Pam Goes Nuts” postet sie außerdem gesunde Rezepte. In den Storys lässt sie die Follower an ihrem Alltag teilhaben. So baut Reif ein kleines „Content Flywheel“ und sich selbst eine größere Community als je zuvor auf.
Auf Instagram kann sie das über Youtube gewonnene Publikum zudem besser monetarisieren: Dort postet sie Werbung für Produkte, vor allem im Rahmen langfristiger Partnerschaften mit Firmen wie Puma, Calzedonia, GHD und der schwedischen Modemarke NA-KD. Anfang 2021 launcht sie außerdem eine eigene Marke für gesundheitsbewusste Ernährung: „Naturally Pam“. Als Partner (und Minderheitseigner) agiert dabei das Hamburger Startup Goodlife Company, dessen Hej Natural Riegel Reif schon seit Jahren bewirbt. Die „Naturally Pam“-Produkte sind zunächst nur über einen eigenen Online-Shop verfügbar und dort schnell immer wieder ausverkauft. Mittlerweile gibt es sie auch im Handel zu kaufen.
Sechs Millionen US-Dollar Umsatz mit der App?
Kurz nach dem Launch der eigenen Marke erweitert sie ihr Content Flywheel und ihre Monetarisierungsstrategie um ein weiteres wichtiges Element: die Pam App. In dieser bündelt sie künftig die ihre Rezepte sowie die Trainingspläne. Ein Grundstock an Inhalten ist kostenlos verfügbar; für alle Inhalte und den gesamten Funktionsumfang müssen die Nutzer:innen ein Abo abschließen. Diese Strategie funktioniert offensichtlich sehr gut: Das App-Statistik-Tool Airnow Data schätzt, dass die App betriebssystemübergreifend 2,5 Millionen Mal heruntergeladen worden ist und in weniger als einem Jahr fast sechs Millionen US-Dollar Umsatz generiert hat.
Velleicht am beeindruckendsten an Pamela Reifs Erfolgsgeschichte ist, wie es ihr in den letzten zwei Jahren gelungen ist, in China Fuß zu fassen. Eine chinesische Followerin habe sie auf der Straße darauf angesprochen, dass andere ihre Videos auf chinesischen Plattformen hochluden und damit viele Views generierten. “Da habe ich gedacht, das kann ich auch selbst machen”, so Reif. Mittlerweile verzeichnet sie knapp sieben Millionen Follower auf Bilibili (dem chinesischen Youtube), 6,6 Millionen auf „Little Red Book“ (Xiaohongshu, ähnlich wie Instagram) und 1,7 Millionen bei Sina Weibo. Sie streamt in der Fitness-App Keep vor Hunderttausenden Zuschauern; macht Werbung für Puma in China und hat sogar Verträge mit chinesischen Marken, wie zum Beispiel der Nahrungsmittelmarke WhollyMoly abgeschlossen.
2. Kağan Sümer, Gründer und CEO Gorillas
Im OMR Podcast sagte Kağan Sümer zu OMR-Chef Philipp Westermeyer: „Du musst drei Dinge von mir wissen: Ich liebe Fahrräder. Ich liebe Teamsport. Und ich liebe Consumer Business.“ Deshalb fuhr Sümer auch schon mit dem Fahrrad 6.000 Kilometer von Istanbul nach China, wurde Kapitän der türkischen Wasserball-Jugend-Nationalmannschaft und gründete den Lieferdienst Gorillas.
Das Berliner Startup stieg nur neun Monate nach der Gründung zum Unicorn auf. Kein anderes deutsches Unternehmen hatte das zuvor in so kurzer Zeit geschafft. Dabei ist das Gorillas-Prinzip denkbar einfach: Wer in der App Supermarkt-Artikel bestellt, erhält per Fahrradkurier geliefert, gegen eine Gebühr von 1,80 Euro. Zum Start gelingt es dem Unternehmen, mit Lieferzeiten von zehn Minuten oder sogar darunter enorme Word-of-Mouth-Effekte zu generieren. Damit ist Gorillas auch eine Marketing-Erfolgsgeschichte. Aktuell ist das Startup in acht Ländern aktiv; allein hierzulande beschäftigt es über 10.000 Fahrer:innen. Aufgrund des rasanten Wachstums steht die Firma im Fokus von erhöhtem Medieninteresse.
Mittlerweile ist Gorillas auch relevanter Mediaspender; zuletzt ist das Unternehmen eine Partnerschaft mit Paris Saint-Germain eingegangen. Dabei helfen beachtlichte Fundings: Erst im vergangenen September nahm das Startup in einer dritten, diesmal von Delivery Hero angeführten Finanzierungsrunde rund eine Milliarde Dollar auf, um weiter zu wachsen und – immer wichtiger – den eigenen Marktanteil gegenüber der Konkurrenz zu verteidigen. Denn neben dem lokalen Rivalen Flink und einigen weiteren europäischen Wettbewerbern hat nun auch das US-Vorbild Doordash seinen Einstieg in den deutschen Lieferdienst-Markt bekanntgegeben.
Philipp Westermeyer mit Gorillas-Gründer Kağan Sümer (r.) bei der OMR Podcast-Aufnahme
3. Lena Gercke, Model und Unternehmerin
Lena Gercke erfindet sich gefühlt immer wieder neu. Zuerst Model nach ihrem Sieg bei Germany’s Next Topmodel. Später Moderatorin und Influencerin. Heute Unternehmerin. Gemeinsam mit About You hat sie LeGer gegründet – und verkauft die von ihr entworfenen Klamotten exklusiv über den Retailer. Damit ist Lena Gercke auch ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte von About You, die in diesem Jahr mit dem Börsengang seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat.
LeGer eine der größte Marken bei About You
„Wir haben aktuell ungefähr einen Umsatz von sechs Millionen Euro. Und unser Ziel ist es, in den nächsten drei Jahren auf eine achtstellige Summe zu gehen”, sagte Lena Gercke im OMR Podcast Ende 2019. Ob das gelungen ist, lässt sich nicht feststellen. Die Marke gehört heute jedoch zu den meistverkauften auf About You und im Mai 2021 macht sie aus LeGer ganz offiziell ein Unternehmen: Mit dem Retailer gründet Lena Gercke die LeGer GmbH und will jetzt weiter angreifen. Bei Otto.de verkauft ihre Marke mittlerweile eine Home-Kollektion mit Sofas, Betten, Vorhängen. Stilvolle Zurückhaltung beschreibt LeGer als Marke dabei in Sachen Möbeln genauso wie bei den Klamotten.
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In diesem Jahr haben sich Gercke und About You außerdem eine besondere Marketing-Strategie überlegt. Rund um den Launch einer ihrer Kollektionen ließ sie sich von Kameras begleiten – sogar während ihrer Schwangerschaft. Herausgekommen ist eine bis jetzt zweiteilige Doku, die insgesamt 2,8 Millionen Views auf Youtube generiert hat. Das Video zur breit im TV geschalteten Kampagne zu Lena Gerckes Herbst-/Winter-Kollektion wurde allein auf ihrem eigenen Instagram-Kanal über 100.000 Mal angesehen.
Gleichzeitig ist Gercke auch außerhalb der About You- und Otto-Welt eine gefragte Partnerin für viele Marken. Mit 2,8 Millionen Instagram-Followern gehört sie zu den reichweitenstärksten deutschen Influencerinnen. Adidas, Maybelline und BMW sind bekannte langjährige Brand-Partner.
4. Peter Chaljawski, Gründer und CEO Berlin Brands Group
Spätestens seit September 2021 kann die Berlin Brands Group (BBG) sich nicht mehr hinter dem Label „Hidden Champion“ verstecken. Da verkündete das Unternehmen eine Finanzierungsrunde über 700 Millionen US-Dollar, wodurch der 2005 als Chal-Tech gegründete DTC-Händler endgültig auch offiziell auf Unicorn-Status katapultiert wurde. Lange Zeit jedoch hat Gründer Peter Chaljawski sein Eigenmarken-Imperium ziemlich unaufgeregt und weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hochgezogen. Aus einem Ebay-Seller mit preisgünstiger Haushalts- und Unterhaltungselektronik erwuchs mit den Jahren ein Portfolio aus 14 selbst entwickelten Brands. Neben Klarstein, der Flaggschiff-Marke für Haushaltsgeräte, kennt man vielleicht die Sportgeräte-Brand Capital Sports oder die unter dem Label Blumfeldt verkauften Gartenprodukte.
1,5 Milliarden aktive E-Commerce-Käufer:innen
Wie viele andere E-Commerce-Händler auch hat das das Corona-Jahr 2020 BBG in eine neue Wachstumsphase geführt. Der Umsatz sprang um mehr als 50 Prozent auf 334 Mio. Euro. Und nichts spricht dagegen, dass das aktuelle Geschäftsjahr erneut mit einem massivem Umsatzzuwachs abgeschlossen wird. Denn Ende 2020 sind die Berliner in das Wettrennen um die Übernahme profitabler DTC-Seller eingestiegen. Eine Finanzierungsrunde über 240 Millionen Euro sorgte dafür, dass BBG direkt mit Macht mitmischen konnte. Und mit Erfolg. Inzwischen gehören neben den selbst aufgebauten Eigenmarken über 40 weitere DTC-Brands zum BBG-Imperium.
Dabei mag geholfen haben, dass Chaljawski Exit-willigen Gründer:innen einen etwas attraktiveren Pitch als die anderen Seller-Aufkäufer liefert: Er kann ihnen nicht nur versprechen, dass BBG die Marken durch Synergien und professionelleres Management weiter wachsen lassen wird. Die Berliner bieten außerdem eine eigene Lager-Infrastruktur und eine selbst entwickelte Software, die neben Amazon auch eigene Markenshops und weitere Marktplätze in mehr als 20 europäischen Ländern, der Türkei, den USA und China befüllt. Insgesamt erreicht BBG nach eigenen Angaben 1,5 Milliarden aktive E-Commerce-Käufer:innen weltweit.
Peter Chaljawski, Gründer und CEO der Berlin Brands Group, Foto: BBG
Vor allem, dass BBG seine Logistik in der eigenen Hand hält, ist derzeit ein gewichtiges Argument beim Buhlen um die attraktivsten FBA-Seller. Denn Amazon selbst wächst aktuell schneller als es neue Fulfilment Center in Betrieb nimmt. Was für viele FBA-Händler bedeutet, dass ausgerechnet vor wichtigen Shopping-Ereignissen wie dem Black Friday die Menge der Ware, die sie bei Amazon einlagern können, von dem Konzern nach Lust und Laune begrenzt wird.
Welche Dynamik im E-Commerce aktuell steckt, das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Expansionspläne von BBG. Seit 2017 betreiben die Berliner im niederrheinischen Kamp-Lintfort ein eigenes Lager- und Versandzentrum mit 55.000 Kubikmeter Volumen. Dem wir gerade ein zweites mit über 90.000 Kubikmetern zur Seite gestellt. Die tägliche Kapazität soll dadurch von 40.000 auf 100.000 Pakete steigen. Außerdem eröffnet Ende 2021 ein Lager in Großbritannien, weitere in Spanien, Frankreich und Osteuropa sind in Planung. Und auch bei der Erweiterung seinen Markenreichs dürfte Chaljawski das Tempo halten können. Mitte November vermeldete BBG, dass man weitere 100 Millionen Euro für die Übernahme von FBA-Sellern einsammeln konnte.
5. Tina Müller und Vanessa Stützle, CEO und CDO Douglas
Die digitale Transformation eines Traditionsunternehmens, das noch mit beiden Beinen im niedergelassenen Handel steckt – das war schon vor der Pandemie kein Nine-to-Five-Job. Doch mit dem ersten Lockdown wurde die Aufgabe von Tina Müller, seit 2017 CEO der Drogeriekette Douglas, umso dringlicher. Sie hat die Gelegenheit genutzt, unvermeidliche Veränderungen, die sie längst in Gang gesetzt hatte, zu beschleunigen. Ihre engste Verbündete dabei ist Digitalchefin Vanessa Stützle, die fast zeitgleich zu Douglas gewechselt war und zuvor bei S. Oliver beweisen konnte, dass sie Ideen hat, wie man die Onlineumsätze eines klassischen Filialisten steigert.
Tina Müller und Vanessa Stützle, CEO und CDO von Douglas (v.r.), Foto: Douglas
Aus dem leicht angestaubten Parfümhändler Douglas „die größte Beauty-Plattform Europas“ machen. Das war die Aufgabe, die Stützle sich selbst beim Wechsel gestellt hatte, erklärte sie im OMR Podcast im vergangenen Juli. Und diesem Ziel war sie zum Zeitpunkt der Aufnahme schon ein gutes Stück näher gekommen. Betrug der online generierte Umsatzanteil beim Antritt der beiden Frauen noch zehn Prozent, hatte er sich mittlerweile auf 40 Prozent gesteigert. Natürlich steckte darin ein gewisser Corona-Effekt. Doch auch bei einer kompletten Öffnung der Filialen erwarte sie nicht, dass der Wert unter ein Drittel fallen würde, so Stützle damals im OMR Podcast. Und hinsichtlich der Profitabilität, ergänzte ihre CEO Tina Müller, bewegten sich On- und Offline-Geschäft ohnehin auf dem gleichen Niveau.
Darum hätte sich Müller vielleicht auch den geplanten PR-Coup sparen können, der kurzfristig am Image der visionären Managerin kratzte. Durch die Uminterpretation einiger Douglas-Läden von Parfümerien in Drogerien – die auch im Lockdown öffnen durften – hatte sie auf der einen Seite Kreativität bewiesen. Doch in einer Grundstimmung, die alles begrüßte, was versprach, die Pandemie zu verkürzen, scheiterte der Plan am massiven öffentlichen Gegenwind. Immerhin hatte die misslungene PR-Volte Douglas in die Schlagzeilen gebracht und damit ins Bewusstsein der damals fast ausschließlich online shoppenden Lockdown-Bevölkerung.
Trotz Shitstorm nicht die Orientierung verlieren
Auch wenn die Douglas-Chefin für ihre Idee einen veritablen Shitstorm erleben musste, änderte diese Erfahrung nichts an ihrer Haltung, sinnvolle und unvermeidliche Veränderungen entschlossen anzugehen. Und ihr dürfte klar gewesen sein, welche Welle der Entrüstung ihre Ankündigung von Filialschließungen auslösen würde. In den kommenden Monaten wird Douglas europaweit 500 Geschäfte dicht machen. In Deutschland verschwinden 60 von 430 Läden. Das ist nicht nur jede siebte Filiale – in vielen Orten verschwindet damit ein vertrauter Name aus der Fußgängerzone, der lange wie als Bollwerk gegen die Krise der Innenstädte und die Digitalisierung erschein.
In diesem Jahr feiert Douglas seinen 111 Geburtstag. Noch vor ein paar Jahren hätte mancher darauf gewettet, dass die Firma dieses Jubiläum arg gebeutelt oder vielleicht gar nicht mehr erreicht. Tina Müller und Vanessa Stützle belehrten sie eines besseren. Und mehr noch: Die Transformation von Douglas kann eine Vorlage sein für mittelständische Händler, die verstanden haben, dass die Digitalisierung kein Trend ist, den man aussitzen kann, sondern eine Herausforderung, die nur derjenige bewältigt, der sie mit Konsequenz und ohne Nostalgie angeht.
6. Younes Zarou, Tiktok-Creator
Als Will Smith vor wenigen Tagen die Premiere des Filmes King Richard (ein Bio-Pic über Serena und Venus Williams, deren Vater Smith im Film darstellt) in London besucht, ist das erste Foto, das der Hollywoodstar auf Instagram von der Feier veröffentlicht, ein gemeinsames Selfie mit Younes Zarou. Der 23-Jährige Frankfurter hat auf Instagram „nur“ 4,9 Millionen Follower, Smith dagegen fast 57 Millionen. Warum also verschafft der Filmstar dem jungen Creator diese Ehre?
Die mutmaßliche Antwort: Tiktok. Die Plattform dürfte mittlerweile die wichtigste sein, um die junge Zielgruppe zu erreichen. Zwar hat Smith auf Tiktok auch mehr Follower (63,9 Millionen) als Zarou (41,2 Millionen). Aber in Sachen Gesamt-Plays verzeichnet der 23-jährige Deutsche mit 11,6 Milliarden Views fast das Dreifache von Will Smith (3,1 Milliarden). Zwar lässt sich auf Tiktok aktuell noch kein gemeinsames Video des US-Schauspielers mit dem deutschen Creator finden. Gut möglich aber, dass das erst zum Deutschlandstart des Filmes im Februar online gehen wird.
Zarou ist nicht nur der reichweitenstärkste Tiktok Creator Deutschlands, sondern gehört auch auf europäischer Ebene zur Spitze. Seine Spezialität: Videos mit unerwarteten visuellen Effekten, optischen Täuschungen und überraschenden Experimenten. Dabei zeigt er in der Regel sowohl wie der Effekt erzielt wird, als auch, wie dieser am Ende in einem Foto oder Video aussieht. Ein Kaninchen aus dem Hut ziehen ist das Eine, den Blick hinter den Vorhang, wie das Kaninchen in den Hut gelangt, scheinen die TikToker aber noch mehr zu lieben.
7. Achraf Ait Bouzalim, Gründer 6PM
Es ist die große Hype-Mode-Story des Jahres: Achraf Ait Bouzalim verkauft jede seiner Kollektionen in wenigen Minuten aus – und hat aus seiner Brand 6PM ein Millionen-Business geformt. Wie der 25-jährige Frankfurter das geschafft hat? Mit einer Kombination aus starker Community und viel beachteten Drops. Geld für Marketing gibt er nicht aus.
Achraf Ait Bouzalim hat 6PM zu einem der hippsten deutschen Modelabel geformt
Achraf startet 6PM schon 2016 während des Studiums. Doch zu Beginn läuft das Geschäft mit den ausgefallenen 6PM-Klamotten überhaupt nicht. 2019 kommt der Umschwung, weil der Investor „Papa Oscar Ventures“ einsteigt und dem Gründer den Rücken frei hält. Seitdem sind alle seine Kollektionen Selbstläufer.
Wachstum über organische Community
„Instagram ist der Kanal, über den wir mit den Kunden kommunizieren“, sagt Achraf Ait Bouzalim. „Ich habe mir meine Community organisch aufgebaut und bin sehr eng mit ihnen. Deshalb ist 6PM jetzt so groß geworden.“ Der Instagram-Account seines Labels kommt heute auf 144.000 Follower. Noch wichtiger ist aber sein persönlicher Account. Über den ist er noch enger mit seinen 169.000 Followern im Austausch und lässt sie an seinem Leben teilhaben.
Aus diesen Fans spinnt Achraf Gold. Eine Kollektion kündigt er gezielt im Voraus mit stylischen Videos und Fotos an – und verweist immer wieder auf den Verkaufsstart (Drop) an einem bestimmten Tag um 18 Uhr (6PM eben). Sein besonderer Kniff: Er fragt auf dem persönlichen Account, ob jemand Codes für den nächsten Drop will. Diese können dann schon eine halbe Stunde vorher einkaufen und erzeugen oft die richtig großen Warenkörbe.
8. Shirin David, Musikerin
Ja, Barbara Shirin Davidavicius alias Shirin David hat es schon einmal in dieses Ranking geschafft. Damals, Anfang 2019, hatte sie gerade ihre ersten beiden Rap-Singles auf den Markt gebracht; für die meisten war sie aber trotzdem noch die von Youtube und Instagram bekannte Beauty-Influencerin aus Hamburg. Das dürfte sich seitdem auf jeden Fall geändert haben. Denn Shirin hat nicht nur einen Imagewandel zur selbstbewussten und unabhängigen Rapperin vollzogen, sie steht auch stellvertretend für die boomende Creator Economy wie kaum eine andere Künstlerin. Ihr Debütalbum „Supersize“ knackte als erste Platte einer deutschen Rapperin überhaupt den ersten Platz der Charts. Es folgten Features mit etablierten Rap-Stars wie Haftbefehl und Luciano. Und drei Singles des am 19. November erschienenen Albums „Bitches brauchen Rap“ charteten ebenfalls jeweils auf Platz eins.
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Parallel hat sie es nahezu perfekt verstanden, aus ihren Millionen-Reichweiten auf sozialen Plattformen und einer treuen Community erfolgreiche Produkte zu bauen. Gemeinsam mit Douglas brachte sie 2019 das Parfüm „Created by Shirin“ auf den Markt – nachdem sie durch eine Collabo mit der Drogeriekette dm („Created by the Community“) zuvor angeblich bereits zehn Millionen Euro umgesetzt hatte.
Der größte und lukrativste Coup dürfte allerdings der seit wenigen Monaten im Handel erhältliche Eistee „DirTea“ sein. 20 Millionen Dosen sollen die großen Supermarktketten des Landes laut Shirin Davids Youtube-Ankündigung bereits zum Start abgenommen haben – inklusive aufmerksamkeitsstarker Promo-Aktion mit dem Lebensmittel-Lieferdienst Flink. Ob die drei Sorten Pfirsich (WetPeach), Zuckerwatte (Candy Shop) und Blaubeere (Busty Blueberry) den Eistee-Markt geschmacklich revolutionieren? Vermutlich nicht. Trotzdem soll eine weitere Geschmacksrichtung plus eine Sorte inklusive Alkohol folgen. Und weitere Business Moves von Shirin David mit Sicherheit auch.
9. Christian Angermayer, Investor und Gründer
Business Angel und Wagniskapital-Investoren geben sich gerne als smarte wie wagemutige Typen. Bei Christian Angermayer ist das tatsächlich mehr als eine Pose. Der Deutsche, der in London lebt, und dessen Vermögen zuletzt mit 1,3 Milliarden Euro beziffert wurde (der IPO von Atai und der Krypto-Boom vergangener Monate dürfte den Wert noch mal nach oben geschraubt haben), steckt sein Geld in die ganz großen Wetten: Seine Investmentfirma Apeiron Investment Group beteiligt sich an Krypto-Startups und päppelt mit beachtlichen Summen junge Deep-Tech-Firmen, deren Spektrum von Robotik über künstliche Intelligenz bis Raumfahrt reicht.
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Das von Angermayer mitbegründete Biotech-Unternehmen Atai Life Sciences, das an Psilocybin forscht, ging im Juni 2021 in New York an die Börse. Das Startup konnte 225 Millionen US-Dollar einsammeln und die Bewertung strebt mittlerweile auf 3 Milliarden US-Dollar zu. Noch ist ein gutes Stück des Weges zu gehen, bis aus Angermayers erleuchtendem Trip ein marktfähiges und vor allem zugelassenes Medikament geworden ist. Wird dieses Ziel erreicht, dürfte sich das wagemutige Investment jedoch mit einer Rendite auszahlen, bei der sogar einem erfolgsverwöhnten Investor wie Christian Angermayer dann doch ein wenig schwindelig werden könnte.
10. Enes Seker, Gründer Royal Donuts
Enes Seker ist buchstäblich gekommen, um uns allen den Tag zu versüßen. In der Rekordzeit von gerade einmal drei Jahren machte er aus einem kleinen Donutladen am Kölner Stadtrand ein internationales Franchise-Unternehmen mit über 220 Filialen, das sogar dem Platzhirsch Dunkin’ Donuts den Rang abgelaufen hat – zumindest in Deutschland. Dabei ist der frühe Erfolg in den sozialen Medien eher einem Zufall geschuldet: Beauty-Influencerin Bianca „Bibi“ Claßen war so angetan von den aufwendig verzierten Teigkringeln, dass sie prompt die ganze Theke leerkaufte und ein Youtube-Video darüber produzierte.
Fitness-Influencer:innen im Fettkringelwahn
Endgültig entfachten den Social-Media-Hype rund um die Donut-Marke dann aber ausgerechnet Fitness-Influencer: Viele von ihnen finden nämlich in den süßen Kringeln ihr perfektes Cheat-Meal und produzieren daraufhin jede Menge Insta-Content über ihre üppige Gönnung. Kein Wunder also, dass Royal Donuts zu einem der am schnellsten wachsenden Franchises überhaupt zählt, die Filialen sind mittlerweile in elf unterschiedlichen Ländern vertreten und Verträge für weitere 120 Filialen laut Aussage Sekers schon unterschrieben.
Allein auf Instagram erreicht die Brand über alle Kanäle hinweg fast eine Millionen Follower und sorgt mit abgefahrenen Donut-Kreationen regelmäßig für virale Hypes. Selbst Rapper und Genuss-Liebhaber Xatar entdeckte Sekers Teigkringel und warb fortan für die junge Donutmarke in mehreren Musikvideos. Das Schicksal scheint dem gerade einmal 26-jährigen Seker gewogen zu sein. Kein Wunder, immerhin bedeutet sein Nachname übersetzt „Zucker“.
11. Marco Cancellieri, Christian Hecker und Thomas Pischke, Gründer Trade Republic
Als Privatanleger:in provisionsfrei mit Aktien handeln und in ETFs investieren, alles nahezu selbsterklärend – fast spielerisch – innerhalb einer App auf dem Smartphone: Sogenannte Neobroker haben fast Zeitgleich mit dem Beginn der Corona-Pandemie einen unglaublichen Hype erlebt. Dafür sorgten nicht nur günstige Kurse als Folge des Crashs und viel Zeit im Homeoffice, sondern auch Anbieter, die fertige Konzepte nach dem US-Vorbild „Robin Hood“ in der Schublade hatten.
Trade-Republic-Gründer Marco Cancellieri, Christian Hecker und Thomas Pischke (v. l.), Foto: Trade Republic
Christian Hecker, Marco Cancellieri und Thomas Pischke hatten bereits vier Jahre im “Stealth-Modus” an der Gründung einer neuen Bank gearbeitet, bis Trade Republic 2019 eine Bafin-Lizenz erhielt. Im April 2020 folgte mit einer 75 Millionen US-Dollar schweren Series-B-Runde das erste richtig große Lebenszeichen; seit der Series-C-Runde ein Jahr später in Höhe von 900 Millionen US-Dollar spielt das Startup ganz oben mit und kratzt an Milliardenbewertungen von klassischen Banken wie der Commerzbank.
Bis zu 50.000 Euro täglich für Google Ads
Dass so viel Kapital notwendig sein kann, um sich am boomenden Markt langfristig durchzusetzen, lässt nicht nur die Anzahl von Konkurrenzprodukten erahnen, sondern auch die Strategien, mit denen um Kund:innen gebuhlt wird. Da werden dann auch mal zufällige Gratis-Aktien versprochen und 100.000 Euro verlost; laut Insidern seien Marketing-Budgets von 50.000 Euro keine Seltenheit – pro Tag und nur bei Google.
Trade Republic jedenfalls scheint es geschafft zu haben, diesen anfänglichen Wilden Westen inklusive des zwischenzeitlichen Verkaufsstops unter anderem der GameStop-Aktie (Stichwort: Meme Stocks) plus anschließendem Shitstorm zu überstehen. Eigenen Angaben zufolge verwaltet das Startup heute sechs Milliarden Euro für eine Million Kund:innen. Und die jüngsten Geschäftszahlen ließen erahnen, dass Trade Republics Umsatz zwischen 75 und 100 Millionen Euro liegen könnte.
Wenn es nach der EU-Kommission geht, könnte dieses rasante Wachstum mal zumindest etwas ausgebremst werden. Sie will sogenannte „Payment for Order Flow“-Zahlungen im Retail-Brokerage verbieten. Das würde die wichtigste Ertragsquelle von Trade Republic versiegen lassen – und das Geschäft traditioneller Banken wieder stärken.
12. Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier, Gründerinnen The Female Company
Ihr Endgegner ist das Tabu. Als Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier vor rund drei Jahren The Female Company gründen, ist Ihr Ziel klar: weibliche Körper entsexualisieren, die Periode normalisieren. Deshalb vertreiben die beiden Unternehmerinnen in ihrem Online-Shop natürliche Produkte für Frauen wie Bio-Tampons aus Baumwolle, Periodenunterwäsche und Wärmekissen für den Unterleib.
Bekannt wird The Female Company allerdings vor allem für ihre ausgeklügelten Marketingstrategien: Mit Aufklärvideos bei Pornhub, dem „Vulva-Mag“, einem Akt-Mal-Workshop oder auffallenden Werbeslogans wie „One Girl, one Cup“ (wohlgemerkt für Menstruationstassen), machen sie immer wieder von sich reden. Mit ihrem schamlos charmanten Auftreten begeistern die beiden Gründerinnen mittlerweile auch eine halbe Millionen Follower auf Tiktok und Instagram, wo sie mit kurzen Videos über Vulven, Verhütung und Verstopfungen während der Periode aufklären. Nicht umsonst ist The Female Company auf Platz 18 des Jung von Matt Rankings der stärksten deutschen Startups – und nun auch Teil der OMR Top 50.
13. Engin Ergün, Gründer 4Bro
Engin Ergüns Jobbezeichnung klingt so aufregend wie kryptisch. Als „Ethno-Marketing-Experte“ berät er große Konzerne wie Sony dabei, gezielt die deutschtürkische Community anzusprechen. Eines Abends in einer Shisha-Bar hört er, wie sich die Jugendlichen gegenseitig mit „Bro“ ansprechen – und prompt wird ihm klar: Diesen „Bros“ will er ein eigenes Produkt bieten. Ein halbes Jahr später rollen die ersten LKWs über die Straßen, bringen den 4BRO-Eistee in die Kioske, Tankstellen und Supermärkte des Landes.
20 Millionen Euro Umsatz macht Ergün von April 2019 bis Jahresende mit dem Getränk und erweitert sein Portfolio schnell um Snacks und Limonade. Dieses Jahr plant Ergün bereits einen Umsatz von 80 Millionen Euro. Die Zuversicht rührt vor allem von der starken Community, die Ergün hinter sich weiß: Fast eine Million Downloads verzeichnet seine 4BRO-App. Dort können Fans mit Produktcodes Punkte sammeln und später gegen Netflix-, Spotify- oder Barbershop-Gutscheine eintauschen. Eben genau das, worauf seine Ethno-Marketing-Zielgruppe abfährt.
14. Lena Jüngst, Gründerin Air Up
Als die deutsche Kreativagentur Jung von Matt im September erstmals ein Ranking veröffentlicht hat, für das sie die Markenstärke deutscher Startups aus- und bewertet hat, waren vielleicht einige ältere Leser:innen überrascht: Auf Platz 1 rangiert das Münchner Startup Air Up. Das bietet Wassertrinkflaschen, die den Trinkenden mittels eines duftenden Aufsatzes vorgaukeln, dass das Wasser nach Frucht schmeckt. Entwickelt hat das Konzept u.a. Mitgründerin Lena Jüngst – im Rahmen einer Bachelor-Arbeit.
Das Gründerteam hat die Marke vor allen Dingen über digitale Kanäle aufgebaut: Social Ads, Influencer-Kooperationen und Video-Werbung auf Youtube. Offenbar ist es dem Unternehmen gut gelungen, die Idee des Produkts zu transportieren. In der repräsentativen Umfrage, die dem Startup Brand Ranking zu Grunde liegt, hätten die Teilnehmer Air Up in Sachen Innovation und Einzigartigkeit deutlich über den Top 3 Getränkemarken eingeordnet. Wenig erstaunlich also, dass Air schonknapp 68 Millionen US-Dollar Funding einsammeln konnte – u.a. von PepsiCo.
15. Sebastian Merkhoffer und Pascal Zuta, Gründer Oceans Apart
Sebastian Merkhoffer und Pascal Zuta sind die deutschen Direct-to-Consumer-Päpste. Mit der Methode „hochpreisige Produkte über Influencer Marketing mit Rabattcodes verkaufen“ haben die beiden erst die Lifestyle-Tee-Marke Fitvia groß gemacht und für fast 50 Millionen Euro an ein Pharma-Unternehmen verkauft. Dann folgte Invincible Brands (das Dach-Unternehmen über der Hautpflegemarke HelloBody, der Makeup-Marke Banana Beauty und der Haarpflegemarke Mermaid+Me), das beide 2018 an das Private-Equity-Unternehmen Capital D verkauft haben (und später für kolportierte 300 Millionen Euro an den Konsumgüterkonzern Henkel weiterverkauft wurde).
Im zurückliegenden Jahr folgte der mutmaßlich auf einer neunstelligen Bewertung durchgeführte Exit der Activewear-Marke Oceans Apart, an der Pascal Zuta einen relevanten Anteil hielt. Es wird wohl nicht der letzte Exit von einem der beiden DTC-Unternehmer bleiben: Aktuell ist Zula an den Influencer-Marketing-Brands Les Lunes, Salted, Pomélo und Gitti beteiligt. Merkhoffer hat Motel a Miio und das im vergangenen Jahr viel beachtete Reinigungsmittel-Startup Everdrop im Portfolio.
16. @janaxnell aka Yung Nello, Youtuberin und Musikerin
Janaxnell, Nello, Yungnello – Jana Nell ist Anfang 20 und unter vielen Alter Egos auf den Plattformen unterwegs. Da zeigt sie regelmäßig das Ergebnis von Kooperationen mit Fashion-Marken wie Vans und Calvin Klein, Marktplätzen wie About You und Zalando oder Kampagnen für Apps wie Tinder. Beim Blick auf ihre Profile – auf zwei Instagram-Accounts folgen ihr 500.000 User, auf Youtube und Tiktok kommen 163.000 und 140.000 hinzu – wird aber schnell klar: Die typischen Stereotypen einer Influencerin, eines Models im Plattform-Zeitalter, will sie nicht erfüllen. Sie spricht offen über Sorgen und Ängste, weint, zeigt sich ungeschminkt mit Nasenbluten. Im nächsten Moment rappt oder singt sie Playback zu ihren Lieblingssongs, schneidet Grimassen und albert herum.
Der rote Faden bei nahezu allem, was sie öffentlich macht, ist Hip Hop. Streetwear und Sneaker scheinen die Lieblingsoutfit-Kombi zu sein, auf ihrem Soundcloud-Profil mit 20.000 Followern veröffentlicht sie in unregelmäßigen Abständen Trap-Mixe und für die Hiphop.de-Awards war sie bereits Teil der Jury. Und Jana Nell ist längst auch Teil der Creator Economy. Mit „Love Scars“ hat sie ihre eigenes Streetwear-Label. Der jüngste der bisher drei Drops ist natürlich schon ausverkauft.
17. Alisa Jahnke, Gründerin Purelei
Wenn wir an Social Commerce und kräftiges Wachstum denken, dann denken wir fast automatisch an das Schmucklabel Purelei. Gründerin Alisa Jahnke hat mit ihren Mitstreitern Etienne Espenner und Frederik Jahnke ein Unternehmen mit weit über 100 Mitarbeitenden und achtstelligem Umsatz geschaffen – aus dem Nichts und mit selbst gestaltetem Schmuck. Das Geheimnis? Die Marke transportiert über Social das hawaiianische Lebensgefühl und begeistert damit fast 700.000 Instagram-Follower.
Aber natürlich helfen auch Influencerinnen kräftig mit. „Wir haben direkt zu Beginn Influencerinnen angeschrieben und Produkte hingeschickt. Viele haben unseren Schmuck dann auch vorgestellt. Damals habe ich schon gedacht, das wäre der Höhepunkt des Influencer Marketings. Aber es war nur der Anfang“, so Jahnke gegenüber OMR. Aber es zieht noch deutlich an und über die Jahre professionalisiert das Unternehmen die meist langfristige Zusammenarbeit mit Creatorn. „Für mich stand beim Influencer Marketing und Follower-Wachstum immer der Social-Proof im Vordergrund. Viele Follower erhöhen einfach das Vertrauen bei potenziellen Kunden“, sagt die Gründerin.
18. Stefanie Stahl, Psychotherapeutin
Seit 307 Wochen steht Stefanie Stahl mit „Das Kind in dir muss Heimat finden“ (1,6 Millionen verkaufte Exemplare) auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste Paperback-Sachbücher. Auf diesem Erfolg könnte sich die 57-Jährige ausruhen – stattdessen vermarktet sie sich überaus erfolgreich als Personal Brand.
Dass sich Stahl heute „Deutschlands bekannte Psychotherapeutin“ nennen kann, ist sicherlich auch mit ein Verdienst des Bertelsmann-Konzerns: Die Random-House-Tochter Kailash verlegt die Bücher der Autorin. Ihre beiden erfolgreichen Podcasts werden von der zu RTL gehörenden Plattform Audionow produziert und vertrieben. Und über die von Random House betriebene Website Sinnsucher.de können die Fans von Stahl an Online-Seminaren mit ihr teilnehmen.
Darüber hinaus ist die Psychotherapeutin aber auch eigenverantwortlich aktiv: Auf Instagram folgen ihr 63.000, auf Facebook 21.000 Menschen. Auf Stahls Website können die Besucher nicht nur Offline-Seminare buchen, sondern nach Abschluss eines Newsletter-Abos auch einen Persönlichkeitstest machen. Letzterer ist ein zentrales Element in Stahls Schaffen – und spielt auch eine große Rolle bei den Matching-Partys, die sie veranstaltet. Im Digitalzeitalter einen direkten Kundenzugang zu besitzen – das ist für eine Sachbuchautorin schon ziemlich fortschrittlich.
19. Sebastian Schulze, Mitgründer und CEO Fit Analytics
Eine ganze Weile lief Fit Analytics unter dem Radar, doch spätestens seitdem Snap, das Unternehmen hinter der Social-App Snapchat, das Berliner Startup übernommen hat, dürften die Meisten von dem Tool zur Ermittlung der richtigen Kleidergrößen schonmal gehört haben. Rund 100 Mitarbeitende hat das Unternehmen und kooperiert bereits mit über 18.000 Einzelhändlern, darunter auch große Retailer wie Asos, Calvin Klein, The North Face und Patagonia.
Co-Gründer Sebastian Schulze steht auch nach der Übernahme weiter an der Spitze von Fit Analytics. Von ihrem Büro in Berlin-Friedrichshain aus wollen sie ihren Online-Größenberater weiter ausbauen, nur diesmal eben mit Rückenwind vom US-Tech-Riesen Snap. Der hat schon längst Kurs in Richtung E-Commerce-Plattform genommen, Schulzes Software soll einen weiteren Schritt dazu beitragen.
20. Jennifer Baum-Minkus, Gründerin und MD Gitti
Eigentlich wollte Jennifer Baum-Minkus im September 2020 von den Investor:innen bei „Die Höhle der Löwen“ nur 350.000 Euro für ihren veganen Nagellack Gitti. Ein in der Sendung verkündeter Deal kommt dann aber nicht zustande. Stattdessen vermeldet die Gründerin wenige Tage später eine Seed-Runde über drei Millionen Euro. Im August 2021 nimmt sie nochmals Investitionen in Höhe von fast sieben Millionen Euro auf. Kein Wunder, dass Investoren begeistert sind, die Nagellacke von Gitti sind ständig vergriffen.
„2019 haben wir den Online-Shop neun Mal geöffnet und über 300.000 Euro Umsatz gemacht – und das bei weniger als fünf Prozent Marketing-Spend“, erzählt Baum-Minkus OMR im Oktober 2020. Das funktioniere auf der einen Seite über die Community. Ihre Follower nehme die Gründerin seit den Anfangstagen ganz eng mit auf die Reise des Unternehmens. Auf der anderen Seite nutze Jennifer Baum-Minkus die eigentlich aus der Mode-Branche bekannten Drops (siehe Achraf und 6PM). Dann ist die Sommerkollektion eines Nagellacks eben in ein paar Minuten ausverkauft.
21. Das Gründer-Team von Flaschenpost
Okay, full disclosure: Die ganze Sache ist uns etwas unangenehm. Wir hatten Flaschenpost bereits im Jahr 2020 in unserem OMR50-Ranking – allerdings ziemlich weit hinten auf 44. Platz. Und damit massiv unterbewertet. Denn nur ein paar Monate, nachdem unser Ranking erschienen war, platzte die Bombe: Die Oetker-Gruppe kaufte den Getränkelieferdienst aus Münster. Kolportierter Kaufpreis: 1 Milliarde Euro.
Flaschenpost greift an
Die folgenden Monate wurden jedoch vor allem durch ein anderes Delivery-Startup bestimmt. Gorillas und dessen kometenhaftem Aufstieg. Doch im Hintergrund hat sich bei Flaschenpost einiges getan. Dr Oetker hat den eigenen Getränkelieferdienst-Klon Durstexpress eingestampft und unter das Dach von Flaschenpost geholt. Dessen Belegschaft ist mittlerweile auf mehr als 7500 Mitarbeitende angewachsen. Und das Unternehmen hat inzwischen wieder auf Angriffsmodus umgeschaltet. Vor einigen Wochen kündigte Flaschenpost an, in die Auslieferung von Lebensmitteln und Frischwaren einzusteigen.
Nach einem erfolgreichen Piloten in der Heimatstadt Münster sollen zunächst Düsseldorf und später bundesweit Metropolregionen mit dem erweiterten Service bedient werden. Auch wenn Flaschenpost das Zehn-Minuten-Versprechen der Konkurrenz von Gorillas und Flinck nicht matchen kann – die große Verbreitung und viele Stammkund:innen sind eine solide Ausgangsbasis. Viel spricht darum dafür, dass sich Flaschenpost dauerhaft im Lebensmittel-Liefergeschäft etablieren wird.
22. Tijen Onaran, Gründerin Global Digital Women, Autorin
Linkedin ist voll mit Typen, die einem erzählen, wie man auf der Plattform und darüber hinaus bekannt wird – und die am Ende damit vor allem sich selber meinen. Und dann gibt es Tijen Onaran, die Unternehmerin, Beraterin, Speakerin, Podcasterin, Kolumnistin, die nicht aus Selbstzweck zu den sichtbarsten Frauen in dem sozialen Netzwerk geworden ist, sondern weil Sie ihre Karriere seit Jahren einer Mission verpflichtet hat: Frauen zu mehr Sichtbarkeit in der Wirtschaft zu verhelfen.
Zu diesem Zweck hatte sie einst einen Stammtisch mit Frauen aus der Berliner Digital-Szene gegründet: Der wurde zur Keimzelle ihres Unternehmens Global Digital Women. Mit ihrer Firma berät sie inzwischen Konzerne, wie sie mehr Diversität vom hehren Ziel in gelebte Praxis übersetzen, und hat einen Film zum Thema herausgebracht, der es bis zu Amazon Prime geschafft hat.
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In „Yes She Can“ tauchen auch Onaran selbst und einige ihrer Weggefährtinnen auf. Denn das ist ein wichtiger Pfeiler ihrer Strategie für mehr Sichtbarkeit: starke Netzwerke bilden und einander ins Rampenlicht schieben. Passend dazu heißt Onarans erster Spiegel-Bestseller, in dem sie ihre Methode offenlegt und (nicht nur) Frauen zur Nachahmung empfiehlt: „Die Netzwerkbibel“.
2021 ist ihr zweites Buch erschienen. „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“ lautet dessen Titel, der die zentrale Erkenntnis von Tijen Onaran auf den Punkt bringt: Wir leben in einer Welt, in der Botschaften enger denn je an Ihre Träger:innen gebunden sind. Und wenn man sich wie sie für mehr Frauen in der Wirtschaft einsetzt, dann gibt es einen Weg, der effektiver ist als alle Kolumnen, Podcasts und Beraterjobs: selbst eine dieser Frauen zu werden.
23. Katharina Jünger, Mitgründerin und CEO Tele Clinic
Katharina Jünger hatte schon lange die Vision, dass Arztsprechstunden auch digital stattfinden sollten – und spätestens die Pandemie hat ihr recht gegeben. Die Gründerin von Teleclinic, einem Anbieter für digitale Arztbesuche, profitiert direkt. Mitte 2020 schafft sie den Exit. Der schweizer Konzern „Zur Rose“, dem auch Docmorris gehört, kauft ihr Unternehmen für einen achtstelligen Betrag – und Jünger bleibt trotzdem als CEO an Bord. Und das hat einen Grund.
Sie wolle weiter für die Akzeptanz von Telemedizin kämpfen, hatte sich schließlich seit 2015 mit Regularien rumgeschlagen, um überhaupt einen Dienst auf den Markt bringen zu können. Durch den Exit habe sie jetzt das nötige Kapital, um in Sachen Telemedizin andere Player abwehren zu können. Laut Katharina Jünger entsteht da schließlich gerade ein „Multimilliardenmarkt“. Die nächste große Aufgabe: Am Geschäftsmodell feilen. Denn nur Arztgebühren von Nutzenden reichen nicht. Es muss also ein B2B-Fokus etwa über Krankenkassen oder Arbeitgeber her. Da hat die junge Gründerin also noch einige Mammutaufgaben vor sich.
24. Delia Lachance, Mitgründerin Westwing
Vor zehn Jahren gründet Delia Lachance gemeinsam mit unter anderem Stefan Smalla Westwing, einen Online-Händler für Möbel und Interior. Die Idee der zuvor bei der Frauenzeitschriften Elle und Elle Decor tätigen Redakteurin: nicht einfach nur Produkte zum Kauf, sondern eine Vorauswahl und so Kaufberatung im Magazin-Style anbieten. Shoppable Content also. Von Anfang an nimmt Delia eine besondere Rolle bei Westwing ein. Sie ist bis heute nicht nur im operativen Geschäft als Chief Creative Officer im Vorstand und leitet das rund 100-köpfige Kreativ-Team.
Nach außen vertritt sie die Marke auch mit ihrer eigenen, inzwischen prominenten Personal Brand. Fast 150.000 User folgen ihrem Instagram-Account delia_westwing. Und sie findet mit privaten Storys, zum Beispiel ihrer Hochzeit, in großen Lifestyle- und Boulevard-Medien statt. Damit ist sie wie kaum eine zweite Gründerin in Deutschland eng verknüpft mit ihrem Unternehmen. Das ging übrigens vor etwas mehr als drei Jahren an die Börse – und nach einer anfänglichen Talfahrt folgte gute Quartalsergebnisse. Aktuelle Marktkapitalisierung: über 600 Millionen Euro.
25. Jeremias Heinrich, Founding Partner Picus Capital
Er gilt als rechte Hand von Alexander Samwer, dem jüngsten der drei Unternehmer-Brüder. Und obwohl Jeremias Heinrich mit ihm und Robin Godenrath bereits 2015 den VC Fonds Picus Capital gegründet hat, scheint er, zumindest im Vergleich zu einigen anderen Namen aus der deutschen Investoren-Landschaft, kaum Aufmerksamkeit zu erfahren. Dabei lohnt es sich, einen Blick auf die zwar noch junge, aber schon jetzt ziemlich beeindruckende Karriere zu werfen.
Während seines Masters in Bauingenieurwesen und BWL an der TU München sammelt Heinrich Erfahrungen bei Stationen wie McKinsey , Siemens und Hochtief. Nach der Gründung des Early-Stage-Investors Picus, der bereits in über 60 Startups investiert hat, folgten unter anderem die Gründungen von Pelion Green Future, Pacifico Energy Partners und Linus Digital Finance. Diese und weitere Unternehmen bündeln Jeremias Heinrich und Samwer seit 2018 in der Arvantis Group. Und die gemeinnützige Organisation „Leaders for Climate Action“ hat Heinrich übrigens auch mitgegründet. Wenn er mit dem Tempo weitermacht, dürfte man in den kommen noch viel ihm im Zusammenhang mit Technologie und Energie hören – auch, wenn er selbst lieber Hintergrund bleibt.
26. Anna von Hellberg, Laura Castien, Gründerinnen Motel a Miio
Häufig sind Urlaubssouvenirs eher unnötiger und obendrein kitschiger Deko-Kleinkram. Als die Freundinnen Anna von Hellberg und Laura Castien gemeinsam ihren Urlaub in Portugal verbringen, schaffen sie mit Hilfe einer Spedition davon direkt zwei Paletten nach Deutschland. Statt billiger Mitbringsel sind die allerdings mit bunten Keramiktellern beladen, die die Freundinnen in einem Restaurant entdeckt hatten. Und nach einem erfolgreichen ersten Pop-Up-Sale ist ihnen klar: Diese Urlaubssouvenirs sind ein Geschäftsmodell.
Anfang 2017 gründen sie „Motel a Miio“, designen die Produkte seitdem selber und lassen sie in Portugal herstellen. Was anfangs noch ein kleines Nebenprojekt ist, erlangt vor allem Dank Instagram schnell große Bekanntheit – und entwickelt sich zu einem mittelständischen Unternehmen mit vielen Copycats. Von der Zentrale in München-Allach verschicken sie Pakete mit der bunten Keramik-Ware in die ganze Welt, europaweit gibt es mittlerweile 20 „Motel a Miio“-Läden. Im vergangenen Jahr lag der Bruttoumsatz noch bei rund 15 Millionen Euro, für dieses Jahr rechnen die Gründerinnen mit einem Wachstum von 50 Prozent. Seit April hat das Unternehmen einen Investor an Bord – damit die Entwicklung so weitergehen kann.
27. Julian Teicke, Gründer und CEO Wefox
Die Berliner Startup-Szene zählt zu den wichtigsten in Europa. Eines der Schwergewichte ist die digitale Versicherungsplattform Wefox. Das von Julian Teicke co-gegründete Unternehmen ist aktuell rund 2,5 Milliarden Euro wert – selbst Hollywoodstar Ashton Kutcher ist investiert. Damit ist Wefox das bestfinanzierte europäische Versicherungs-Startup. Es bietet vor allem Hausrats-, Kfz- und Haftpflichtversicherungen und bündelt die Angebote auf einer eigenen Plattform.
Was das Startup von den alteingesessenen Unternehmen der Branche unterscheidet: Rund 90 Prozent aller Geschäftsprozesse würden bei Wefox digital abgewickelt. Ziel sei es, das Versicherungsmakler-Geschäft weltweit zu digitalisieren. Ironisch: Teicke wollte zunächst nicht in die Versicherungsbranche einsteigen. Als er bei einem ersten potenziellen Investorengespräch allerdings sofort 300.000 Euro angeboten bekam, konnte er nach eigener Aussage nicht mehr zurück. Heute hat Wefox 600 Angestellte an acht verschiedenen Standorten.
28. Martin Klenk, Bastian Nominacher, Alexander Rinke, Grunder Celonis
Dass das erste aus Deutschland stammende Decacorn, also ein Startup mit einer Bewertung von über zehn Milliarden US-Dollar, Geschäftsdaten und Prozesse optimiert, könnte kaum besser zu deutschen Stereotypen passen. Process Mining nennt sich das, was das 2011 gegründete Unternehmen Celonis, das heute seine Hauptsitze in München und New York hat, mittels Software anbietet. Dabei werden Geschäftsprozesse digital abgebildet und systematisch analysiert. Bastian Nominacher, neben Martin Klenk und Alexander Rinke einer der Gründer, beschreibt die Funktionsweise dieser Suche nach Verbesserungspotenzial mit einem Röntgengerät.
Im Sommer dieses Jahres erhielt Celonis im Zuge einer Series-D-Runde eine Milliarde US-Dollar – bei einer Bewertung von elf Milliarden US-Dollar. Heute zählt das Unternehmen bereits 1.800 Mitarbeitende, zu den Kunden gehören Konzerne wie Axa, Bayer, Dell, Siemens und Vodafone. Wie viel Umsatz Celonis aktuell macht, ist nicht öffentlich. Im Geschäftsjahr 2019/2020 sollen es mehr als 100 Millionen Euro gewesen sein und sich dieser bereits mehr als verdoppelt haben.
29. Manu und Joelle Herzfeld, Gründerinnen Food with Love
Im April 2020 stürmt die App von Manu Herzfeld und Tochter Joëlle unerwartet die Apple-Charts – und hält sich dort ganze vier Wochen. Schnell ist klar: Food with Love ist weitaus mehr als ein einfacher Thermomix-Rezeptblog. Heute gibt es neben der App auch Rezept-Bücher, einen Shop mit eigenen Produkte wie Gewürze oder Brotbackmischungen und vor allem eine riesige Community. Allein die Facebook-Gruppe des Mutter-Tochter-Gespanns bringt es auf über 300.000 Mitglieder, auf Instagram sind es mehr als 200.000.
Seit 2013 stellen die beiden wöchentlich neue Rezepte vor (natürlich vor allem für die Zubereitung im Thermomix) und begleiten damit junge Hobbyköch:innen durch ihren stressigen Alltag. Die „Food with Love“-App hat laut Analysetool Airnow mittlerweile über 600.000 Downloads. Und weil die Nachfrage so groß ist, gibt es mittlerweile sogar Merch wie Mousepads, Kaffeetassen oder Brotteigscharber. Na, wenn das mal kein Business mit Herz ist.
30. Philipp Glöckler und Philipp Klöckner, Doppelgänger Tech Talk
Es ist eine kuriose Geschichte: Zu Anfang des Jahres gehen ein (im Vergleich zu den Größen der Mediengattung) vergleichsweise kleiner deutscher Tech-Podcast und seine beiden Macher durch die deutsche Presse, von der FAZ bis zum Stern: Philipp Glöckler und Philipp Klöckner (schon mehrfach zu Gast im OMR Podcast), die Hosts des Doppelgänger Podcasts. Was war geschehen? Der Doppelgänger Podcast hat zuvor mit klugen Analysen von Tech-Aktien und digitalen Geschäftsmodellen eine engagierte Community um sich herum aufgebaut. Und genau die aktivieren Glöckler und Klöckner zu Anfang des Jahres, um die Social-Audio-App Clubhouse in Deutschland zu etablieren. Die gilt in der US-Tech-Szene zu diesem Zeitpunkt gerade als „der neue heiße Scheiß“, ist aber nur auf Einladung zugänglich.
Philipp Glöckler (u.a. Gründer von Avocadostore) beschafft sich über einen Kontakt aus den USA einen Invitecode und tüftelt dann gemeinsam mit Cohost Klöckner ein System aus, mit dem sich die Mitglieder der Doppelgänger Community gegenseitig weitere Codes zuschanzen können. Das, so zeigt sich später, ist der initiale Schneeball, der die Clubhouse-Lawine in Deutschland ins Rollen bringt. So schnell der Clubhouse-Stern aufgegangen ist, so schnell verglüht er auch wieder. Die Doppelgänger-Jungs haben ihre treue Hörerschaft behalten und diskutieren mit dieser mittlerweile lieber über die App Discord.
31. Tobi Bauckhage, Mitgründer und MD Studio Bummens
Auf der Suche nach einem guten Film, seid Ihr sicher schon mal (unbemerkt) auf Tobi Bauckhages Websiten gelandet. Der Co-Gründer von Moviepilot baut hierzulande schon 2007 eine Community rund ums Thema Filme auf. Die Marke wächst schnell zu einer der größten Film-Communities des Landes heran, sodass selbst Hollywood-Studios sich bei ihm melden. Denn dank Bauckhages Daten kann er den Erfolg von Filmen schon voraussagen, bevor sie in den Kinos überhaupt anlaufen.
2012 eröffnet erin Los Angeles ein Tochterunternehmen, mit dem er unter anderem den Facebook Live TV-Sender „Super News Live“ betreibt. Insgesamt erreichen Moviepilot und Creators Media in den USA über 30 Millionen Moviefans und werden zu einer der größten Online-Communities für Entertainment. Er verkauft beide Unternehmen, kommt Anfang 2019 nach Deutschland zurück und gründet gemeinsam mit Konstantin Seidenstücker, Ansa Seidenstücker und Florida Entertainment von Joko und Klaas die Podcast-Produktionsfirma Studio Bummens. Mit der produziert er unter anderem Baywatch Berlin mit Klaas, Apokalypse und Filterkaffee von Micky Beisenherz oder den millionenfach gestreamten Podcast „Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen“. Wir finden: Gründe genug, um ihn in die OMR50 zu heben!
32. Mady Morrison, Youtuberin
Na, schon mal Lust auf eine Runde Sunshine Morning Flow oder eine 30-Tage-Yoga-Challenge verspürt? Dann seid Ihr sicherlich auch schon auf Mady Morrison gestoßen. Mit rund zwei Millionen Abonnenten zählt die 31-jährige zu den größten deutschen Youtuberinnen, ihr meistgeklicktes Video („15 Minuten Full Body Stretching“) kommt auf annähernd 40 Millionen Views. Seit 2015 unterrichtet die Berlinerin Yoga auf Youtube, angefangen in der Digitalwelt Fuß Fuß gefasst hat sie allerdings schon 2011 mit einer Mischung aus Food-, Fitness- und Reiseblog.
Heute begeistert sie ihr Millionenpublikum vor allem mit ihren professionell gedrehten Mitmach-Videos, von der Rückendehnung bis zum ausgiebigen Yoga-Flow ist unter den fast 500 Videos alles dabei. Besonders die Corona-Krise bringt dem Familienunternehmen (ihr Partner ist mit an Bord) nochmal ordentlich Aufschwung: Von rund 2,5 auf ganze 11 Millionen steigen ihre durchschnittliche Views im Monat zu Bestzeiten. Mittlerweile arbeitet Morrison auch an einem eigenen Yoga-Fotokalender oder unterrichtet (wenn möglich) Yoga-Events vor Ort.
33. Jan Beckers, Gründer und Investor
Neulich erschien in der FAZ ein Porträt des Berliner Seriengründers und Investors Jan Beckers. Darin geht es um das „Rezept“, nach dem er Geld in Aktien angelegt, was er mit seiner 2017 gegründeten Investmentgesellschaft Bit Capital überaus erfolgreich tut. Allein der Wert des erstens Fonds, den er aufgelegt hat, konnte Beckers bis heute verfünffachen. Das berichtete Beckers Philipp Westermeyer einmal im OMR Podcast. Was also ist seine Strategie? Ein Teil der Antwort steckt in Beckers erstem Investment – oder vielmehr dem seiner Eltern. Denn, so heißt es in der FAZ, die musste er zunächst überreden, das für den Führerschein angesparte Geld in Aktien des Spiele-Publishers Electronic Arts zu stecken. Dessen Games faszinierten den jungen Beckers; erst wusste also, was die Firma macht – und wurde mit einer Verdreifachung seiner Investition belohnt.
In gewisser Hinsicht folgt er dieser Strategie bis heute. Wobei Beckers bei Bit Capital mittlerweile ein Team von 20 Leuten hat, dass ihn dabei unterstützt, durch aufwendige Recherche und Spezial-Software frühzeitig Wissen über vielversprechende Firmen anzuhäufen. Wobei manchmal auch ein Blick in Google Trends reiche, so Beckers im OMR Podcast. Darüber habe er zu Beginn der Pandemie erkannt, dass Investments in Hello Fresh und Zoom sich in den kommenden Monaten auszahlen könnten – was sie auch taten. Sein gutes Gespür für das nächste große Ding am Aktienmarkt hat sich mittlerweile rumgesprochen: Beckers managt inzwischen deutlich mehr als ein Führerschein-Budget: Bit Capital verwaltet vier Jahre nach dem Start bereits über als eine Milliarde Euro.
34. Jochen Krisch und Sven Rittau, Gründer Global Online Retail Fonds
Jochen Krisch und Sven Rittau sind zwei alte Hasen im E-Commerce-Business. Beide bauen gemeinsam mit der K5 schon länger an dem zentralen E-Commerce-Event in Deutschland – mit entsprechendem Content drumherum. Krisch kennt Ihr sicher auch als Macher hinter Exciting Commerce. Rittau hat 1999 den Online-Shop für Tierfutter Zooplus und den Online-Druck-Shop Shirtinator gegründet. Auf unsere Liste schaffen sie es aber als Initiatoren des Global Online Retail Fonds (GLORE).
Mit dem machen sie es möglich, gesammelt in die wichtigsten Player im E-Commerce zu investieren. Der Kurs liegt aktuell nicht auf dem absoluten Höhepunkt. Aber seit dem Pandemie-Start-Knick Anfang 2020 ist der Kurs von knapp über 100 auf über 250 Euro pro Aktie gestiegen. Ein Plus von etwa 150 Prozent. Im Portfolio des Fonds dabei: About You, Amazon, Alibaba, Asos, Delivery Hero, Shopify und viele weitere. Wer also an das E-Commerce-Business glaubt und nicht nur auf ein Pferd setzen will, findet mit GLORE eine Möglichkeit.
Disclaimer: Dies ist keine Anlageempfehlungen. Ihr entscheidet selbst, was Ihr mit Eurem Geld macht und nur weil GLORE bisher im Vergleich zu 2020 zugelegt hat, muss das nicht so bleiben.
35. Phillip Böndel und Tobias Kargoll, Gründer The Ambition
Zwar haben Rapper:innen in den vergangenen Jahren auch im musikalischen Bereich Rekorde gebrochen. Beispielsweise, wenn es um die Größe von Live-Shows geht und Streamingzahlen, die teilweise so dominant waren, dass Österreich seine Chart-Regeln angepasst hat. Aber in den vergangenen Monaten dürfte auch final die breite Masse mitbekommen haben, dass Rap, also eines der musikalischen Elemente von Hip Hop, eben nicht das einzige ist, aus was die weltweit wohl größte (Jugend-) Kultur besteht.
Capital Bra ist Pizza- und Eistee-Millionär, Shirin David (siehe Platz 8) Parfüm- und Eistee-Unternehmerin, Xatar erobert gerade das Imbiss- und Tiefkühl-Geschäft. Wie spannend Hip Hop für Firmen sein kann, das wollen Phillip Böndel und Tobias Kargoll mit ihrer Anfang des Jahres gegründeten Unternehmensberatung „The Ambition“ in die Führungsetagen tragen. Böndel war früher unter anderem Berater der Rapper Kool Savas sowie Eko Fresh und ist Teil der Geschäftsführung der Kreativagentur Butter. Kargoll ist Herausgeber von hiphop.de und in der Szene vielen als Toxik bekannt. Das erfahrene Duo will helfen, authentisch die Kompetenzen der Hip-Hop-Kultur zu nutzen; unter anderem bei der deutschen Basketball-Bundesliga BBL und Pernod Ricard sind sie schon dabei. Ein ambitioniertes Projekt, für das es vermutlich keinen besseren Zeitpunkt hätte geben können.
36. Mai Thi Nguyen-Kim, Youtuberin und Moderatorin
Alleine die Preise und Auszeichnungen aufzuzählen, mit denen Mai Thi Nguyen-Kim in den vergangenen Monaten überschüttet wurde, würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Darum direkt zum Punkt, der die Moderatorin und Chemikerin aus Marketing-Sicht bemerkenswert macht: Nguyen-Kim hat im Alleingang ein Genre neu definiert und gezeigt, wie man selbst bei einer jungen Zielgruppe Aufmerksamkeit für klassische Ist-mir-zu-kompliziert-warum-soll-ich-das-wissen-Themen bekommt.
Lange Jahre war die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte gefangen zwischen Know-Hoff-Band und der verschmitzten Onkeligkeit eines Ranga Yogeshwar. Dann kam diese Youtuberin ums Eck. Nur ein Jahr dauerte es, bis auf ihren ersten Kanal „The Secret Life of Scientists“, 2016 die bereits mit Funk koproduzierte Show „Schönschlau“ folgte. Die firmierte 2018 zu „maiLab“ um, gewann in rasantem Tempo Follower und Popularität. Diese wiederum bescherte Nguyen-Kim Jobs als Moderatorin im linearen Fernsehen („Terra X Lesch“, „Quarks“). Im Oktober war Premiere für ihr erstes eigenes Format „Maithinks X„.
Wissenschaft x Humor: Am 24. Oktober startete auf ZDF Neo Mai Thi Nguyen-Kims erste eigene Show „Maithink X – Die Show“, Foto: ZDF/Maike Simon
So richtig bekannt wurde Nguyen-Kim allerdings doch wieder über Youtube, wo ihre Videos zur Corona-Pandemie Millionen erreichten, allen voran der Clip „Corona geht gerade erst los“ aus dem Dezember 2020. „Sie belehrt nicht, sondern sie will überzeugen.“ So lässt sich einer ihrer Chefs beim ZDF anlässlich der Ankündigung von Nguyen-Kims eigener Show zitieren. Damit trifft er einen entscheidenden Punkt: Die Wissenschaftlerin und Youtuberin hat das Creator-Einmaleins verinnerlicht. Nguyen-Kims ersetzt die Oberlehrerhaftigkeit des Genres durch Authentizität und Nahbarkeit.
37. Jan Deepen und Stefan Jeschonnek, Gründer Zeitgold und VCs
Es ist eine wahre Geldflut, die sich in den vergangenen anderthalb Jahren auf die Startup-Welt und auf Tech-Unternehmen ergossen hat. Insgesamt 4,4 Milliarden US-Dollar sollen laut Crunchbase im zurückliegenden Quartal alleine in Deutschland investiert worden sein. Die Bewertungen der Startups gehen durch die Decke und der Wettbewerb unter den VC-Firmen rund um die besten Investments ist deutlich härter geworden.
Umso beachtlicher ist der Erfolg von Discovery Ventures aus Berlin. Dahinter stehen Jan Deepen und Stefan Jeschonnek, die in der Vergangenheit zuerst das Payment-Startup Sumup mit- und später das Restaurant-Buchhaltungs-Tool Zeitgold gegründet hatten. Mit Discovery Ventures waren sie an Flaschenpost beteiligt und sind jetzt u.a. bei Gorillas und Trade Republic beteiligt. Ein beachtliches Portfolio – auch, weil Discovery vergleichsweise kleine Beträge investieren und sich als „Micro VCs“ bezeichnen. Im September haben die beiden Gründer gerade den dritten Fonds aufgelegt, im zweistelligen Millionenbereich.
38. Piran Asci, CEO Koro
Die Corona-Krise war für viele DTC-Brands ein Wachstumsmotor. Koro, bekannt für seine Großpackungen mit Nüssen und Nussmusen, konnte besonders profitieren: 30 bis 40 Prozent habe die Pandemie auf die ohnehin schon ambitionierten Wachstumsziele aufaddiert, erzählte CEO Piran Asci im OMR Podcast. Die Berliner konnten den Umsatz 2020 gegenüber Vorjahr beinahe vervierfachen. Und für 2021 ist eine Verdreifachen auf dann 60 Millionen Euro geplant.
Der Hebel, mit dem Asci diese Wachstumsraten generiert, heißt Influencer Marketing. 90 Prozent der Marketing-Ausgaben von bis zu 350.000 Euro im Monat würden bei den 600 bis 650 Influencer:innen landen, so Asci. Vor allem Mikroinfluencer:innen mit 500 bis 1.500 würden sehr gut konvertieren. Allerdings hat Asci inzwischen einen neuen Vertriebsweg ausgemacht: Koro verkauft seine Produkte zunehmend auch in kleineren Gebinden in Drogerien und im Lebensmitteleinzelhandel. Diese neuen Kanäle sollen künftig nicht nur zehn Prozent des Jahresumsatzes beisteuern, sondern auch Türöffner zu neuen Kund:innen sein, die die Marke im Regal entdecken, vom Produkt überzeugt sind – und im Idealfall dann gleich die Großpackung online bestellen.
39. Kristina Walcker-Mayer, CEO Nuri
Das kann man schon eine ansehnliche Karriere nennen: Nach ersten Stationen bei Agenturen arbeitet Kristina Walcker-Mayer ab 2014 für knapp fünf Jahre im Produktmanagement von Zalando im Bereich Apps. Über die Jahre etabliert sie sich in der Branche als Mobile- und App-Expertin. Von Zalando wechselt sie 2019 in das Produktmanagement des nächsten Berliner Highflyer Startups: N26. Dort ist sie ein Jahr tätig, bis sie zum Konkurrenten Bitwala wechselt – zunächst als Chief Product Officer. Nach einem weiteren Jahr wird sie dort zur CEO befördert.
„Wir hatten Kristina eigentlich als CPO eingestellt, aber der Erfolg von Bitwala baut darauf auf, dass wir sehr schnell das Potenzial unserer Mitarbeiter:innen erkennen und so war das auch in Kristinas Fall“, sagt Mitgründer Ben Jones, der bis dahin als CEO agiert hatte, über den Wechsel. Walcker-Mayer verantwortet als neue Firmenchefin das Rebranding Bitwalas hin zum neuen Unternehmensamen Nuri und soll das Fintech nun massentauglicher machen. Im Sommer hat das Unternehmen dafür weitere neun Millionen Euro Funding eingesammelt.
40. Daniela Sichting und Katharina Decker, Gründerinnen Super Streusel
Weil sie die Supermarkt-Auswahl an bunter Verzierung zu langweilig fanden, haben die Schwestern Daniela Sichting und Katharina Decker „Super Streusel“ gegründet. „Wir haben gedacht: In Deutschland sehen Streusel immer langweilig aus. Warum gibt es hier keine coole Deko?“, so Sichting gegenüber OMR. Im Jahr 2018 bestellten sie dann drei Tonnen Streusel und dachten sich eigene Mischungen aus. Ihre höherpreisigen Streusel-Mixe verkaufen die Schwestern im eigenen Online-Shop, um die Premium-Erfahrung der Kundschaft selbst in der Hand zu behalten. „Weil wir vorrangig über den eigenen Online-Shop verkaufen, wissen wir viel über unsere Kundinnen und die ganz viel über uns“, sagt Daniela Sichting. Dieses tiefere Verständnis sei der große Vorteil gegenüber Supermarkt-Wettbewerbern.
Pro Monat verschicken sie mehrere Tausend Pakete an ihre Kunden. Vor allem in der Vorweihnachtszeit ziehe das Geschäft nochmal an, so die Schwestern. Dabei sind die Streusel-Mixe deutlich teurer als klassische Zuckerkugeln aus dem Supermarkt. 90 Gramm der Weihnachtsmischung „HoHoHo“ kosten 6,90 Euro, 180 Gramm gibt’s für 10,90 Euro. Dass die Kund:innen bereist sind, diese Preise zu bezahlen, hat vor allem damit zu tun, dass Super Streusel kein anonymer Online-Shop ist, sondern es verstanden hat, um ein Allerweltsprodukt eine Community zu bauen. Dem Instagram-Account der Marke, auf dem sehr viel User-Generated-Content geteilt wird, folgen mittlerweile mehr als 100.000 Menschen.
41. Céline Flores Willers, Gründerin The People Branding Company
Es laufen gerade viele Männer umher, die sagen, man müssen Frauen endlich eine Stimme geben. Und dann gibt es Frauen, die nicht auf Männer warten, die ihnen den Weg auf die Bühne weisen, sondern einfach selbst zum Mikrofon greifen. Céline Flores Willers gehört dazu. In den vergangenen Monaten hat sie einen eindrucksvollen Case geschaffen, wie man sich mit Mut und Mission selbst zur Business-Personality macht. Auf LinkedIn folgen ihr mehr als 100.000 Menschen, die wissen wollen, was sie zu Themen wie Entrepreneurship, Tech und Zukunftstrends zu sagen hat.
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Flores Willers ist der nicht eben naheliegende Karriereschwenk von der Schönheitskönigin – unter anderem war sie Miss Universe Germany – zur selbstbewussten Unternehmerin gelungen. Insofern ist die 28-Jährige genau das richtige Rolemodel für diese Zeit, in der klassische Konzepte von Karriere zunehmend hinterfragt werden. Dass es dafür einen Markt gibt, beweist Flores Willers wiederum selbst. Vor einem Jahr gründete sie ihre Firma The People Branding Company, die eben genau das macht: Menschen erklären, dass man lieber nicht darauf warten sollte, das andere die Talente entdecken, die in einem schlummern, sondern sich besser direkt bewusst selbst öffentlich positioniert.
42. Jessica Hoyer, Gründerin und CEO Bynacht
„Ein Traum, geboren aus schlaflosen Nächten.“ Mit diesem Satz zwischen Poesie und Hollywoodkitsch schließt die kurze Entstehungsgeschichte der Hautpflegeserie Bynacht auf der Website. Sechs Worte, die nicht nur belegen, dass Gründerin Jessica Hoyer ihr Handwerk als gelernte Werberin versteht. Darin steckt ebenfalls eine sehr persönliche Gründerstory: Der Stress beim Aufbau ihrer Agentur habe Hoyer über Jahre ausreichenden Schlaf gekostet.Die Wende brachte dann die Entdeckung der Aromatherapie und eine Mixtur aus ätherischen Ölen, die ihre Mutter für sie anfertigte, heißt es dort.
Davon ausgehend, dass es keine Schönheit ohne Schlaf geben kann, entwickelte Hoyer dann ihre Hautpflegeserie. Die ist seit dem Launch 2015 auf mittlerweile mehr als 20 Produkte gewachsen und sogar in den USA und Australien nachgefragt. Das Kennt-jeder-Problem Schlafmangel, eine Formel, die verspricht, unproduktive Nachtstunden in eine Zeit der effektiven Hautpflege zu verwandeln, das Ganze verpackt in höchst instagramablen Tiegeln und Dispensern und im Hintergrund eine Frau, die 18 Jahre in der Werbung war, wo sie unter anderem gelernt hat, Marken über Testimonials groß zu machen – so schreibt man Erfolgsstorys im Zeitalter von Instagram.
43. Hakan Koç, Mitgründer und Aufsichtsratsmitglied von Auto1
Klar: Von Auto1, dem Unternehmen hinter den beiden Marken „Wir kaufen Dein Auto“ und Autohero, war zuletzt nicht nur Positives zu hören: Das „Grownup“ verbrennt (v.a. wegen Investitionen in das Wachstum des eigenen Marktplatzes Autohero) mit zunehmender Geschwindigkeit Geld, der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang im Februar halbiert.
Zuletzt kam noch ein Rechtsstreit mit einem Investor um eine gescheiterte Fintech-Tochter von Auto1 hinzu.
Was man aber ebenfalls festhalten muss: Über Jahre hinweg hat Auto1 auch durch geschicktes digitales Marketing (vor allem Search) extrem schnell massives Wachstum generieren können und avancierte damit für einige Zeit nicht nur zum wertvollsten Startup Deutschlands, sondern ganz Europas. Mitgründer Hakan Koç (der aus der „Rocket-Internet-Schule“ kommt) muss jetzt nicht mehr operativ „in den Schützengraben“, sondern ist in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewechselt. Beim Börsengang hielt er Medienberichten zufolge noch gut zwölf Prozent am Unternehmen und war zumindest auf dem Papier kurzzeitig Milliardär. Dem Vernehmen nach soll er heute in London leben und eine Bar in Berlin betreiben.
44. Alice Martin und Estefanía Lang, Mitgründerin Dermanostic
Wer sich auf einem Gebiet besonders gut auskennt oder einen bestimmten Beruf nachgeht, kennt das vielleicht: Man scheint automatisch die erste Anlaufstelle für Freunde und Verwandte zu sein, wenn es um das eigene Know-How geht. Anders war es auch bei Alice Martin und Estefanía Lang nicht. Die befreundeten Doktorinnen arbeiten 2018 zusammen in der Uni-Klinik in Düsseldorf, haben sich zuvor in einer Hautklinik kennengelernt – und bekommen regelmäßig Fotos per Whatsapp, mit der Bitte um eine schnelle Einschätzung. Weil sie häufig schnell eine Antwort parat haben und die Wartezeit bis zum nächsten Hausarzt-Termin meistens sehr lang ist, wittern sie ein Geschäftsmodell.
Das Gründungs-Team der dermanostic GmbH (v.l.): Dr. Estefanía Lang, Patrick Lang, Dr. Ole Martin, Dr. Alice Martin (Foto: dermanostic.com)
Im April 2020, also genau zur ersten Welle der Corona-Pandemie, geht die erste Version der Online-Hautpraxis Dermanostic live. Ebenfalls mit an Bord: ihre Ehemänner und einige Investoren. Deutlich über 300.000 Downloads generiert die App in wenigen Monaten, vor allem dank Videos auf Tiktok zu Hautprobleme und den typischen Fragen. Mehr als 30.000 Patient:innen hat Dermanostic bereits behandelt – jetzt plant das Unternehmen eine Series-A-Runde.
45. Christian Hampp, EMarketing
Mit dem großen Aufstieg von Google, Meta (Facebook) & Co. zu mächtigen Werbeplattformen hat schon vor Jahren eine starke Konsolidierung in der Adtech-Branche begonnen. Und auch wenn die Dynamik logischerweise nachgelassen hat, gibt es doch immer mal wieder einige Player, die auffallen. Emarketing, früher Easymarketing AG ist so einer. 2013, also kurz vor dem großen Boom der angesprochene Konsolidierung, von Christian Hampp gegründet, hat sich das Unternehmen aus Gräfelfing in Bayern in diesem Jahr direkt mit zwei Übernahmen verstärkt.
Erst ging das Amazon-PPC-Tool „E PWR“ an Emarketing, kurz darauf folgte mit Intelliad aus München eine der ältesten Adtech-Firmen in Deutschland – die ebenfalls „E PWR“ entwickelt hatte und seit 2018 Teil von Diva-E war. Mit einem verwalteten Werbevolumen von fünf Milliarden Euro soll EMarketing zu den fünf größten Google-Partnern weltweit zählen. Und Christian Hampp hat offenbar noch viel vor. Er will das Unternehmen zur „weltweit führenden und größten One-Stop-Solution für Advertiser auf den großen Werbeplattformen“ machen.
46. Laura Kampf, YouTube Creator
Es ist die typische Und-dafür-gibt-es-Geld?-Karriere im Zeitalter von Youtube und Instagram: Laura Kampf baut Sachen, die ihr in den Sinn kommen, aber die keinen Zweck erfüllen müssen. Über 300 D.I.Y.-Projekte sind so bereits zusammengekommen. Auf Youtube verzeichnet sie 641.000 Abonnent:innen, bei Instagram sind es 117.000. Sie selbst bezeichnet sich als Makerin und zu den Highlight-Projekten ihrer Karriere zählen ein Karussell aus alten Fahrrädern, ein Bieranhänger für das Fahrrad und ein komplette Tiny House.
International so richtig bekannt wird Kampf vor zwei Jahren, als sie gemeinsam mit US-Youtuberin Simone Giertz aus einem Tesla einen Pick-Up-Truck macht. Das Video hat bis heute über zwölf Millionen Views gesammelt. Geld verdient Kampf mit Sponsorings. Mit dabei sind etwa Profi-Werkzeugbauer Festool, Multifunktionstool-Brand Leatherman, ein Produzent von Schweißgeräten und lokale Feilen und Schleifpapierhersteller. Sie arbeitet in ihren Videos dann einfach mit den Produkten und baut diese damit extrem nativ ein. „Es ist halt Werbung, die nicht nach Werbung aussieht, weil es am Ende auch keine ist, weil ich total auf das Zeug stehe“, sagt Laura Kampf einmal gegenüber OMR.
47. Anna Maria Jäger, Gründerin und MD Lethal Cosmetics
In der deutschen Wirtschafts- und Startup-Presse ist Lethal Cosmetics bislang wenig wahrgenommen worden. Dabei hat die Story Beachtung verdient: eine deutsche Firma, die früh die Marktlücke bei veganer Kosmetik erkannt hat und diese ohne Investorengelder selbst entwickelt und produziert. Gründerin Anna-Maria Jäger hatte zuerst Informatik und Wirtschaft studiert und bei einem Wirtschaftsprüfer gearbeitet. Nach einem Fernstudium in Cosmetic Sciences gründete sie 2017 Lethal Cosmetics. Ihr Mann Kai Jäger, der zuvor u.a. für Microsoft und im Digitalbereich der Deutschen Bank tätig war, ist seit 2020 mit an Bord.
Heute verkauft das Startup vor allem über den eigenen Online-Shop in die ganze Welt (größter Markt: die USA) und erwirtschaftet einen siebenstelligen Umsatz. Bisher hat Lethal Cosmetics kein Geld für Werbung ausgegeben, sondern ist rein organisch sowie über Influencer-Kooperationen mit Umsatzbeteiligung gewachsen. Größter Umsatzbringer ist Instagram. Viel Aufmerksamkeit generiert Lethal Cosmetics aber auch über Tiktok, wo das Startup mit seinen Kurzvideos 162 Millionen Plays und mehr als eine Million Follower angesammelt hat.
48. Munich Wrist Busters, Instagrammer
Nie sei es ihnen darum gegangen Leute bloßzustellen, sagen Leon Schelske und Robin Haas. Am Anfang habe die beiden Münchner einfach die zunehmende Zahl gefaketer Luxusuhren in ihren Bekanntenkreis genervt. Bald posteten sie auf ihrem Instagram-Profil „Munich Wrist Busters“ aber vor allem fachkundig kommentierte Selfies von B- und C-Promis mit gefälschten Uhren am Arm. Doch natürlich war die Schadenfreude der entscheidende Wachstumshebel: „Die echte liegt im Safe“, Standard-Ausrede der Ertappten, wurde schnell zum Running Gag in der Wrist-Busters-Community.
Doch nicht alle Gebusteten beließen es bei Grollen oder Schmollen. Es gab handfeste Drohungen gegen die zunächst anonym auftretenden Uhren-Experten. Darum entschlossen Schelske und Haas sich im Herbst 2020, ihre Identität in der YouTube-Show World Wide Wohnzimmer zu offenbaren. Dem Erfolg ihres Instagram-Accounts, den sie über Affiliate-Links zum Uhren-Händler Chronext finanzieren, hat es nicht geschadet: Aktuell folgen den Munich Wrist Busters knapp 250.000 Leute.
49. Zoe Wees, Musikerin
Die Karriere der Sängerin Zoe Wees im Schnelldurchlauf: Kind einer alleinerziehenden Mutter im Hamburger Problemstadtteil Dulsberg, epileptische Anfälle, Mobbing, Depressionen. Sie beginnt zu singen, verarbeitet ihre Krankheit und Selbstzweifel zu Songs. Die erste Single „Control“ wird zum Hit, mit dem Wees in mehreren Ländern in den Charts landet, elf goldene Schallplatten gewinnt und Auftritte in den Shows von Jimmy Kimmel und Carpool-Karaoke-Erfinder James Corden bekommt. Und das, obwohl die schillernde Welt der Popmusik nicht gerade als bester Nährboden gilt für eine 19-Jährige, die über epileptische Anfälle und andere Probleme singt.
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50. Noonoouri, Virtual Model
Auch die bekannteste virtuelle Influencerin aus Deutschland hatte erst vor Kurzem einen großen Auftritt. Bei den live auf ProSieben übertragenen „About You Awards“ taucht „Noonoouri“ plötzlich neben Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz auf, übergibt ihm einen Gewinner-Umschlag. Es ist der erste Live-Auftritt eines virtuellen Influencers in Deutschland. Darunter könnt Ihr Euch eine Figur aus dem Computer vorstellen, die etwa auf Instagram wie eine typische Influencerin agiert, aus ihrem „Leben“ erzählt, Fotos und Stories postet, Follower sammelt.
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Noonoouri kommt mittlerweile auf 383.000 Abonnent:innen auf der Plattform und machte bereits Werbung für Dior oder Kim Kardashians Kosmetikmarke „KKW Beauty“. „Als Kim Kardashian Noonoouri zum Geburtstag gratuliert hat, kamen ein paar Follower dazu“, hat Jörg Zuber, der Schöpfer der virtuellen Influencerin, gegenüber OMR erzählt. Der hat für seine Kreation jetzt sogar einen Modelvertrag bei der weltweit bekannten Agentur IMG Models unterschrieben. Vielleicht ist das also die Zukunft des Influencer- und Model-Geschäfts. Oder eben nur eine witzige Story für den Abschluss unserer OMR-50-Liste.
So, das waren unsere 50 Sterne der Branche. Falls Ihr jetzt denkt: Moment, schönes Ranking, aber die Kolleg:innen von OMR haben da aber die oder den übersehen … Kein Ding, den nach dem Ranking ist vor dem Ranking. Schickt uns eine kurze Mail mit stichhaltigen Begründung an redaktion@omr.com und wir schauen, ob diese Person in der kommenden Ausgabe unbedingt dabei sein muss. Wir sind gespannt!
Texte: Christian Cohrs, Roland Eisenbrand, Martin Gardt, Florian Heide & Torben Lux