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Zahlreiche Arbeitgeber in Japan verbieten ihren Mitarbeiterinnen, während der Arbeitszeit Brillen zu tragen. Bei den Betroffenen soll es sich um Angestellte handeln, die in Branchen wie Einzelhandel und Schönheitskliniken direkten Kundenkontakt haben.
Während Brillenträger schon immer mit Vorurteilen und Hänselein zu kämpfen haben, bringen die Verbote die Benachteiligung auf ein anderes Level.
Eine junge japanische Frau, die anonym bleiben möchte, berichtet etwa Business Insider Japan, dass sie als Rezeptionistin in einem Kaufhaus tätig ist und von ihren Vorgesetzten aufgefordert wurde, auf ihre Brille zu verzichten. In ihrer Rolle als Kundenberaterin beantwortet sie Fragen und hilft Kunden mit Kinderwagen und Rollstühlen.
„Als mein Vorgesetzter mir die Botschaft mitteilte, hat es gewirkt, als sei das Verbot etwas völlig normales“, so die Japanerin. „Ich habe mir daraufhin gedacht, dass wir keine Brillen tragen dürfen, um femininer auszusehen.“
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„Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass wir alle einheitlich aussehen sollen — wie ein Sportteam“, ergänzt sie.
Die junge Frau gibt an, an fünf Tagen pro Woche jeweils um die acht Stunden zu arbeiten. Bezieht man ihren täglichen Arbeitsweg mit ein, trägt sie ihre Kontaktlinsen an die zwölf Stunden pro Tag. Durch Trockenheit und Ermüdung beginnen ihre Augen in der Regel nach einer gewissen Zeit zu schmerzen. Ein Umstand, den sie während ihrer Pausenzeiten mit geschlossenen Augen auszuhalten versucht.
„Es gibt Tage, an denen jede Augenbewegung schmerzt“, sagt die Japanerin. „An vielen Tagen wünsche ich mir, einfach eine Brille zu tragen.“
„Während meiner ersten Jahren im Unternehmen wurde mir immer wieder mitgeteilt, dass ich süßer und weiblicher aussehen muss“, so die Quelle.
Strikte Regelungen für Make-Up, Haarfarbe und Mundschutz
Jegliches Make-Up, das von den Arbeitgebern als unkonservativ angesehen wird, ist ebenfalls verboten — von glitzerndem Lidschatten über dunkle Lippenstifte bis hin zu künstlicher Wimpernverlängerung.
Den Richtlinien zufolge muss auch die Haarfarbe der Mitarbeiterinnen den Wünschen des Unternehmens entsprechen. Wird ein Vorgesetzter auf einen Verstoß aufmerksam, zieht dies in der Regel eine Verwarnung nach sich.
In Japan erfreuen sich Gesichtsmasken, die über Mund und Nase gezogen werden, großer Beliebtheit. In der Regel wird es als respektvoll angesehen, die Mitbürger vor möglichen Krankheiten wie Erkältungen zu schützen. Das Unternehmen der zitierten Japanerin verbietet den Angestellten jedoch auch diese Masken.
Weiblichen Kollegen der jungen Frau, die als Verkäuferinnen tätig sind, ist das Tragen von Brillen und Gesichtsmasken weiterhin gestattet. Zum jetzigen Zeitpunkt sind männliche Angestellte von den Verboten ausgenommen.
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In ihrer vorherigen Tätigkeit in einem anderen Unternehmen hatte die Japanerin mit ähnlichen Verboten zu kämpfen. Während männliche Rezeptionisten ihre Brillen aufsetzen durften, war es ihr verboten, eine Sehhilfe zu benutzen.
„Es wirkt, als werden Frauen nur nach ihrer Schönheit und ihrem femininen Aufreten beurteilt. Ich kann das einfach nicht nachvollziehen“, so die junge Frau.
Ergänzend fügt sie hinzu: „Ich schätze meinen Job im Kundenservice, die Arbeit erfüllt mich mit Stolz. Allerdings will ich nicht nur für mein Aussehen bewertet werden. Vielmehr sollte mein Auftreten und Verhalten gegenüber Kunden von Bedeutung sein. Ich möchte, dass die Regelungen kontrolliert werden.“
Japanische Ratgeber empfehlen Umstieg auf Kontaktlinsen
Ein Blick in Ratgeber japanischer Jobvermittlungsagenturen zeigt, dass es sich bei den Verboten um ein weit verbreitetes Problem handelt. Nicht selten legen Ratgeber weiblichen Bewerbern nahe, vor Vorstellungsgesprächen auf Kontaktlinsen umzusteigen. Den Agenturen zufolge ist es mit Brillen schwieriger, Gesichtsausdrücke zu deuten. Im schlimmsten Fall könnten Bewerberinnen als kühl und unfreundlich wahrgenommen werden.
Laut einer Umfrage von Business Insider Japan wird japanischen Frauen im Einzelhandel fast immer ein „strenges Regelbuch vorgelegt, das Haarfarbe, Nägel und Brillen umfasst“. Eine Befragte, die im Gastgewerbe tätig ist, gibt an, ihr Arbeitgeber begründe das Brillenverbot mit dem Argument einer erhöhten Hygiene. Andere Teilnehmer berichten von Vorgesetzten, die brillentragende Frauen generell nicht mögen.
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Angestellte in Schönheitsklinken besonders betroffen
Die Schönheitsindustrie gilt als weiterer Gegner der Brillen am Arbeitsplatz. Eine 32-jährige Krankenschwester berichtet von ähnlichen Verboten ihres Arbeitgebers. Die Richtlinien der Schönheitsklink untersagen das Tragen einer Brille während der Arbeitszeit. Ihre Kolleginnen greifen mittlerweile auf Hilfsmittel zurück, um starke Schmerzen zu vermeiden. „Viele meiner Kolleginnen benutzen Augentropfen, andere unterziehen sich sogar einer Laser-Operation“, so die anonyme Quelle.
Um einen natürlichen Look und ein gesundes Hautbild zu schaffen, legte das Unternehmen der Japanerin nahe, entsprechende Behandlungen in Anspruch zu nehmen.
„Mir wurde gesagt, dass dieser Schritt zu besseren Kundenzahlen und zu einem verstärkten Selbstbewusstein führen würde“, so die 32-Jährige. „An der Universitätsklinik wurden wir nach Technik und Wissen beurteilt, während Schönheitskliniken das Aussehen in den Vordergrund stellen. Ich war zwar als Krankenschwester angestellt, fühlte mich jedoch eher wie eine Puppe.“
Frauen setzen Zeichen gegen Verbote
Nach mehr als sechs Jahren kündigte die junge Japanerin ihren Job in der Schönheitsklinik. Ihre Entscheidung begründet sie mit der Absicht, ein Zeichen setzen zu wollen: „Ich habe den Job aufggeeben, um eine Botschaft zu senden, die alle Frauen in Asien bestärkt.“
Diese Einstellung steht sinnbildlich für eine Bewegung, die in Ländern wie Südkorea immer mehr Anhänger findet. Frauen aus zahlreichen Branchen beginnen, sich gegen die Verbote zu wehren, indem sie provokativ geschminkt mit kurzen Haaren zur Arbeit erscheinen.
Die südkoreanische Nachrichtensprecherin Lim Hyeon-Ju erregte besondere Aufmerksamkeit, als sie in einer TV-Übertragung mit Brille auftrat und der Bewegung zusätzlichen Schub verlieh.
Dieser Artikel wurde von Konstantin Berger übersetzt und bearbeitet. Das Original findet ihr hier.