Liebe Gen-Z-Frauen,
durch München fließt die Isar. Und dort, an einer Stelle am Ufer, zur Abendzeit, versammeln sich seit jeher die coolen Kids der Stadt. Die wirklich coolen! Die haben Klamotten und Hairstyles, die einen visuell ohrfeigen, und zwar dann, wenn man meint, man wüsste jetzt endlich, was grade in ist. An dieser Stelle saß ich kürzlich mit einem Freund, nichts Böses ahnend. Und plötzlich waren wir umzingelt von pubertierenden, vapenden, Sekt aus Flaschen trinkenden Jungmenschen, die angezogen waren wie wir mit 12, nur viel cooler, ironischer, abgeklärter.
Leyla sagt zu ihrer Freundin: „Warum stehst du so auf den, der ist doch eh voll hetero!“
Wir beobachteten fasziniert ihr Verhalten und als irgendwann Leyla* (16) und Ruben* (15) Zigaretten von uns schnorren wollten, ließen wir uns die Chance nicht entgehen, dieses zweiköpfige Zeitgeistorakel in Baggypants zu befragen. Sie wirkten, als hätten sie nur darauf gewartet, dass sie jemand zu ihrer Jugendlichkeit interviewt. Da fielen rührende Sätze wie: „Ich glaub, ich werd einfach erfolgreicher Künstler. So ne 40-Stunden-Woche ist doch voll dumm!“ und „Ich hab überlegt, Nacktbilder von mir auf OnlyFans zu verkaufen, safe – ist doch mein Körper.“
Und dann: „Meine Freundin, die Jule, die steht halt mega auf den Tobi und ich check’s halt gar nicht und ich mein so zu ihr: Warum stehst du so auf den, der ist doch eh voll hetero!“
Im Abendlicht floss der Fluss träge aber unerbittlich gen Zukunft und wir kamen uns sehr alt vor. Mein Freund hakte nach: „Und … das ist dann nicht gut, dass der hetero ist?“ – „Naja, eigentlich solltest du schon ein bisschen bi sein.“ Auf Nachfrage druckste Ruben heraus: „Ja, das ist schon so. Also ich weiß nicht, ob ich selbst unbedingt mit nem Mann Sex haben würde, also ich hatte auch noch nie Sex, aber ich glaub schon, dass ich vielleicht ein bisschen bi bin.“
Nur, dass wir uns richtig verstehen – das hier soll kein alarmistischer „UND WAS KOMMT ALS NÄCHSTES??!!!“-Aufschrei sein. Wenn tatsächlich diejenigen Jungs mittlerweile als unattraktiv gelten würden, deren komplette Identitätsfindung daraus besteht, allen klar zu machen, wie sehr sie Mannschaftssportarten mögen und dass sie nicht schwul sind – dann fände ich das ziemlich cool. (Hätte es das früher gegeben, hätte ich mich nicht durch eine volle Saison im Fußballverein quälen müssen.)
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Ab wann ist man eigentlich bisexuell?
Fabian und Jennifer sind bisexuell – und sprechen über Klischees, Bifeindlichkeit und darüber, wie sie ihr Coming-out erlebt haben.
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Unsere Autorin fühlt sich zu Frauen und Männern hingezogen – hat aber Respekt davor, Lesben um ein Date zu bitten. Denn als wahrer Teil der lesbischen Lebenswelt fühlt sie sich nicht.
Aber ist das wirklich so? Oder nur eine völlig unrepräsentative Stichprobe? Ist es mittlerweile out, nur hetero zu sein? Ist damit eher gemeint, dass es out ist, prinzipiell alles außer hetero auszuschließen? Oder geht es eher um einen gewissen Style? Sind einfach gefärbte Haare, Ohrringe und Mut zur Gendernonkonformität hotter als Bad-Boy-Gehabe? Zumindest mehr als bei Vorgänger-Generationen? Und wenn ja, spielt sich das alles nur in einer avantgardistischen Großstadt-Gymnasiast:innen-Bubble ab oder auch darüber hinaus?
Bi-neugierige Grüße,
Eure Millennial-Männer
Die Antwort:
Liebe neugierige Millennial-Männer,
über eure Frage musste ich zuerst schmunzeln, dann habe ich mich ein bisschen gewundert. Tatsächlich habe ich darüber noch nie nachgedacht. Meine vergangenen Loverboys waren fast ausschließlich hetero Männer. Trotzdem wäre es zu einfach, eure Frage deswegen sofort zu verneinen. Spontan würde ich sogar sagen, dass ich bisexuelle Männer attraktiver finde. Aber das ist eher so ein Gefühl. Also habe ich eine kleine, nicht repräsentative Umfrage unter meinen Freundinnen gestartet.
Sie hat gezeigt: Die Mehrheit von ihnen findet bisexuelle Männer attraktiver und spannender als Männer, die ausschließlich auf weiblich gelesene Personen stehen. Aber warum? Hier mein Erklärungsversuch:
Menschen, die bisexuell sind, haben sich unweigerlich mit ihrer Sexualität auseinandergesetzt und sind ziemlich wahrscheinlich deswegen sensibler für Gender und sexistische oder queerfeindliche Klischees. Daher ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass bi Männer toxische Männlichkeitsmarotten reflektiert – oder im besten Fall überwunden haben. Das finden viele junge Frauen ziemlich gut. Außerdem verbinden wir mit bisexuellen Männern viele positive Eigenschaften: Sie sind aufgeklärt, wissen, was sie wollen, sind mutig. Denn es ist auch heute noch nicht selbstverständlich, sich als bi zu outen.
Bisexuelle Männer sind außerdem – zumindest unseren Erfahrungen nach – offen und tolerant, und das finden wir sowieso gut. Außerdem, das muss hier einmal so deutlich gesagt werden: Zwei Männer, die miteinander rummachen, sind einfach sehr hot. Das wissen wird spätestens seit der Serie Elite. Und das Sahnehäubchen ist, dass man mit einem bisexuellen Freund wunderbar im Cafe sitzen und über andere heiße Männer reden kann.
Natürlich gibt es aber auch viele Frauen, denen es egal ist, auf wen ihr Freund oder ihr Sexpartner noch so steht. „Es würde mich überhaupt nicht stören, wenn er bisexuell ist, ich finde es aber auch nicht attraktiver“ –so hieß es im Whatsapp-Chat meiner Mädchengang.
Das typische hetero Gehabe ist für die befragten Gen-Z-Girls out
Und, das gehört zur Wahrheit auch dazu – ich habe auch ein paar Freundinnen gefunden, die sich eine Beziehung mit einem bisexuellen Mann nicht unbedingt vorstellen können. Ihre Gründe basieren aber eher auf Klischees, die bisexuelle Menschen oft zu hören bekommen. Zum Beispiel, dass das Potenzial, betrogen zu werden, bei bi Männern ja doppelt so hoch sei, oder die Angst, dass er eigentlich schwul sei und gar nicht auf Frauen stehe.
Mir hat die Umfrage gezeigt, dass uns eure Sexualität im Grunde genommen egal ist. Seid ruhig hetero, aber halt keine Machos. Denn Attraktivität hat nichts mit sexueller Orientierung zu tun, sondern damit, wie cool, aufgeklärt, selbstsicher und einfühlsam ihr seid.
Eins aber ist sicher: Das typische hetero Gehabe ist für die befragten Gen-Z-Girls out. Altmodische, nicht emanzipierte Männer wollen wir auf keinen Fall. Wir suchen keine Männer, die traditionelle Rollenbilder hochhalten, Sexismus normal finden oder sich über ihr Auto definieren. Aufgeklärte Frauen suchen aufgeklärte Männer.
Ich hoffe, damit könnt ihr was anfangen. Im Namen meiner Gang sage ich: Danke euch für den Denkanstoß! In unserer Whatsapp-Gruppe wird immer noch diskutiert.
Eure immer noch nachdenkenden und nicht ganz entschlossenenGen-Z-Frauen
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